Früh morgens schaue ich aus dem Fenster. Triste, graue Wolken, erscheinen hinter den beschlagenen Scheiben. Ich schließe wieder die Augen und warte auf schöneres Wetter. Zwei Stunden später, kurz vor Puerto Montt, begrüßt mich strahlend blauer Himmel und die ersten Sonnenstrahlen des Tages, lassen die Wassertropfen hinter den Scheiben trocknen. Da ich es nicht geschafft habe, mir mithilfe des Internets ein Hostel zu reservieren, mache ich mich planlos, auf die Suche nach Budgetunterkunften. Unter der immer stärker werdenden Sonne und beladen mit einem viel zu schweren Rucksack, wandere ich die Straßen aufwärts, in Richtung des ersten Hostels. Ich kämpfe mich von Straße zu Straße und immer schwerer lastet der Rucksack auf meinen Schultern. Ich folge den Angaben meines Reiseführers und gelange in immer ungemütlichere Regionen der Stadt. Zuerst weicht die belebte Kustenstrase einer steil ansteigenden, leicht befahrenen, von Wohnhäusern gesäumten Straße. Ich laufe weiter bergauf und biege in eine menschenleere Gasse. Heruntergekommene Häuser und streunende Hunde begleiten meine immer schwerer werdenden Schritte. Ich möchte fast schon umkehren, als die Gasse plötzlich breiter wird und einen großen Parkplatz, auf dem verrostete mit platten Reifen geschundene Autos stehen, preisgibt. Ich schaue mich um und vergewissere mich, das mir niemand folgt , ehe ich bis zum Ende der Gasse laufe. Und tatsächlich dort steht ein Schild mit der Aufschrift Hostel. Vorsichtig klingele ich.
Nach ein paar Minuten, ich will schon fast wieder gehen, öffnet eine einheimisch aussehnde kleine Frau, und teilt mir mit, dass nur für eine Nacht ein Zimmer frei ist, mein Bus fährt allerdings erst in 2 Tagen. Insgeheim froh daruber bedanke ich mich und verlasse schnell die unheimliche Gegend. Immer noch total ausgepowert und der kräftiger werdenden Sonne ausgesetzt, marschiere ich weiter und finde nach ein paar weiteren Straßenecken das nächste Hostel. Erst beim zweiten hinsehen erkenne ich das Schild mit der Aufschrift "Casa Rural", und klopfe zögerlich an. Die Tür ist nur angelehnt. Gerade möchte ich unaufgefordert eintreten, als ein junger Mann mich auf englisch begrüßt . Er erklärt mir das die Hausherrin momentan nicht da sei , lässt mich aber hinein, da die Gastgeberin , so meint er überzeugt, noch Betten frei hat und bestimmt nichts dagegen hat wenn ich hier warte. Ich schaue mich im einladenden Wohnzimmer um. Als erstes fallen mir die vielen anderen Backpacker auf, die mich auch sogleich begrüßen . Ich unterhalte mich mit einer Engländerin, die aus London kommt, einem irischen Pärchen ,einer jungen Australierin, und tatsächlich auch auf Deutsch mit einem jungen Mädchen aus Nürnberg. Noch während wir uns unterhalten, die Stimmung ist in der sympathischen Herberge prächtig, tritt die Chefin des Hauses ein und heißt mich ebenfalls herzlich willkommen. Kurze Zeit später mache ich mich dann gemeinsam mit der Travellerin aus Nürnberg und dem irischen Ehepaar auf die Suche nach etwas essbarem. Die Nürnbergerin, ist ganz ohne Plan, und nur spärlich ausgerüstet, einfach in den Flieger gestiegen und hat dann mal geschaut was auf sie zukommt. Respekt. Genuaso wie ich hat sie letztes Jahr ihr Abitur gemacht und gönnt sich jetzt ,mit dem angesparten Geld, 4 Monate lang durch Chile zu reisen. In der warmen nachmittagssonne bummeln wir durch die Gassen von Puerto Montt. Auf den viel zu schmalen Gehwegen Folge ich dem Mädchen. Sie hat hübsche braune Haare, trägt eine bunte lockere Hose und ein schwarzes Oberteil. Um ihre schlanke Taille trägt sie genauso wie ich gut versteckt ihren Bauchgurt. Unzählige Stände der Einheimischen, gefüllt mit handgemachten Hausschschuhen, Strickmutzen, Pullover, Sombreros , selbst geschnitzten Boten, und vielem mehr säumen die Gassen entlang der Küste . Immer wieder bleiben wir im Gedränge stehen und schauen uns die verschiedenen ausgestellten Gegenstände an. Nachdem mir uns mit empanadas , typische chilenische Teigtaschen, gestärkt haben, marschieren wir wieder zurück zu unserem Hostel. Das Mädchen aus Nürnberg fährt heute weiter auf die Insel Chiloe nach Ancud. Da ich selbst erst am Freitag nach Chaiten aufbreche verabschieden wir uns. " Ich darf mich hier nicht verlieben, höchstens in einen deutschen, " haben meine Eltern gesagt. Ich stimme ihr zu, bei mir ist es das gleiche und wir lachen. Sie lacht gerne und oft, das gefällt mir. Zum Abschluss macht sie noch ganz frech ein Selfie von uns beiden, ehe sie dann wirklich los zu ihrem Bus muss.
Zwei Tage später reise ich dann ebenfalls weiter. Um 6 Uhr morgens stehe ich auf und verlasse rechtzeitig, die noch ganz verschlafene Herberge. Zwei Hosen und ein bisschen Unterwäsche lasse ich in der Pleibe zurück, stattdessen nehme ich ein frisches Handtuch mit. Froh darüber, einen etwas leichteren Rucksack tragen zu können, erreiche ich den Busbahnhof. Nachdem ich dort ein spärliches Frühstück einnehme, begebe ich mich zu meinem Busgate, und warte. 20 vor 8. 10 vor 8. 5 vor 8, und immer noch kein Bus zu sehen. Abfahrt ist eigentlich um 8 Uhr. Langsam werde ich nervös, schließlich ist das Ticket schon bezahlt! Angespannt schaue ich mich am Busterminal um und beginne von Gate zu Gate zu laufen. Schnell stelle ich fest, das ich am falschen Gate gewartet habe. Ich lasse mein Gepäck verstauen und steige in den hoffentlich richtigen Bus ein. Langsam fährt der Bus an, meine Reise nach Patagonien beginnt. Die ersten paar Stunden, insgesamt bin ich über 10h unterwegs, gelingt es mir zum Glück zu schlafen. Erst auf der längeren Fährfahrt von Hornopieren nach Caleta Gonzalo steige ich aus und suche mir einen schönen Platz an Deck der Fähre. Von der Sonne gewärmt und dem Seewind gekühlt, blicke ich über das türkisfarbene Wasser auf die ringsum aus dem Wasser aufragenden , mit Alercen dicht bewachsenen Berge . Über den dunkelgrünen bewachsenen Bergen hängen noch kleine Nebelschwaden nur im Osten verdrängt die Sonne zwischen den Bergen bereits den Nebel. Ich stehe an der Reling der Fähre und lasse das rauschen des Wassers in den Ohren , die wärmenden Sonnenstrahlen und den frischen Wind auf der Haut , auf mich wirken. Nach 5 h Fährfahrt erreichen wir Caleta Gonzalo und es geht wieder mit dem Bus weiter. Wir fahren die bekannte Carretera Austral entlang. Die Busfahrt fühlt sich wie eine Fahrt in einer Achterbahn an, nur das ein Bus etwas schneller aus der Kurve fliegt. Meiner Meinung nach viel zu schnell rast der Bus die Schotterstrase hoch und runter, immer knapp am dichten, immergrünen Urwald vorbei. Über reisende Flüsse und vorbei an grandiosen unberührten Stränden, fährt der Bus, bis wir heil am Zielort Chaiten ankommen. Gleich nachdem ich ausgestiegen bin, spricht mich ein "Chaitenino" an und bietet mir eine Hospedaje für 10.000 Pesos an, da es laut Reiseführer jedoch einen schönen Campingplatz geben soll, frage ich den Chilenen nach eben diesen. Er ist auch so freundlich und beschreibt mir den Weg. Zügig, es ist schon etwas spät, suche ich die wenigen Straßen des Dorfes ab, finde den Campingplatz jedoch nicht ,weshalb ich einen anderen Backpacker frage , ob er zufällig weiß wo der Campingplatz ist. Er weis es auch nicht. Da wir keine Straßenschilder oder Hausnummern entdecken können, beginnen wir gemeinsam zu suchen. Als die Sonne schon langsam wieder untergeht erreichen wir endlich einen Campingplatz. Die Stellplätze sind hinterm Haus und die Zelte stehen bereits dicht an dicht, trotzdem finde ich einen einigermaßen freien Platz. Ich packe die Campingutensilien aus und bete insgeheim, dass ich mich jetzt beim aufbauen meines Zeltes nicht blamiere. Das Ein- Mann Zelt ist von unseren Nachbarn und noch nie benutzt worden! Während die Sonne im Westen gemächlich untergeht baue ich mein Zelt auf. Eigentlich kann es nicht schwer sein das Zelt zusammenzubasteln, da es nur aus einer langen Zeltstange, zwei gleichgeformte Planen und ein paar Heringen besteht. Trotzdem schaffe ich es die Zeltstange auf drei verschieden Weißen am Zelt anzubringen, bis ich der Meinung bin, die richtige Variante gefunden zu haben. Abschliesend stelle ich fest: Das Zelt ist verdammt klein! Mein großer Rucksack nimmt schon fast die Hälfte des Platzes ein. Wo soll ich da bitte schön noch schlafen? Ich quetsche mich in mein Zelt und versuche eine möglichst angenehme Position zu finden, bis ich mit Unbehagen feststelle, dass ich das Zelt auf schrägen Untergrund gestellt habe. Ich verfluche mich, da ich jetzt immer wieder gegen die rechte Zeltwand Rolle und der Rucksack gleich hinter her. Trotzdem schaffe ich es irgendwie einzuschlafen. Am nächsten Morgen wärmen sanfte Sonnenstrahlen mein Zelt langsam auf, bevor ich mich auf den Weg zum Infocenter von Chaitur aufmache, um mich dort nach möglichen Touren in die umgebenden Natur zu erkunden. Leider hält der Touranbieter nicht annähernd das was der Reiseführer verspricht. Da die wenigen Touren die er anbietet für heute schon gestartet sind schlendere ich die Straßen zurück und frage mich schon was ich jetzt die nächsten vier Tage hier machen soll. Da ich niemand kenne und der Anhaltspunkte "Chaitur " enttäuscht, setze ich mich erstmal in den Aufenthaltsraum des Campingplatzes um mir Gedanken über die weitere Reise zu machen. In solchen kurzen Momenten gebe ich zu denkt man manchmal schon: Wäre ganz praktisch wenn man mit jemand zusammen reist. Ich schiebe den Gedanken allerdings sofort wieder beiseite und siehe da, ich treffe einen Österreicher, der mir erzählt, dass er heute mit einer Chilenin, die er im Hostel getroffen hat ( der Campingplatz bietet auch Betten an) zum 2008 ausgebrochenen Vulkan Chaiten, trampen möchte. Ich komme schnell mit ihm ins Gespräch und nachdem ich auch die Chilenin gefragt habe ob ich mit, auf Vulkanbesteigungen gehen kann, nehmen mich die beiden sehr gerne mit. Zu dritt ( wir reden bewusst nur spanisch auch wenn Christian aus Österreich kommt) laufen wir Richtung Caretera Austral. Während wir per Anhalter versuchen die Vans und jeeps zu stoppen, kommen wir immer besser ins Gespräch. Catharina studiert derzeit Medizin in Santiago und hat schon ganz Chile bereist , was ich ausgesprochen beeindruckend finde, denn ich kann bei weitem nicht von mir behaupten so viel von Deutschland gesehen zu haben, und Christian arbeitet gerade in Wien an seinem Doktor in Chemie. Am Anfang strecke ich nur sehr zögerlich den Daumen aus, obwohl es zu dritt wesentlich leichter fällt sich zu überwinden und die Autos anzuhalten. Mit der Zeit werde ich jedoch immer mutiger und es beginnt sogar Spaß zu machen die Autofahrer zu beobachten, wie sie auf uns Tramper reagieren. Und tatsächlich, es daurt nicht mal 5 Minuten, dann nehmen uns zwei einheimische, die gerade auf dem Weg zur Arbeit sind , in ihrem Jeep mit. Die beiden an Cowboys erinnernde Männer sind besonders gut gelaunt und scheinen sich geradezu darüber zu freuen uns mitnehmen zu dürfen. Sie erzählen uns von typischen chilenischen Speisen und Getränken . Nicht ohne Catharina ein laecheln zuzuwerfen behaupten sie, die chilenischen Frauen seien die schonsten auf der ganzen Welt. Daraufhin erkläre ich ihnen, was ich für typisch deutsch halte und verteidige die deutschen Frauen ;). Als ich auf deutsche Getränke zu sprechen komme unterbrechen sie mich sofort, "Bier" oder " cerveza" in spanisch, kennen sie und bieten mir sogleich eines an. So ein Angebot schlage ich nicht aus und genieße , seit langem mal wieder , ein ausgesprochen gutes Bier. Es ist ganz gut das wir uns so laut unterhalten weil ich sonst gemerkt hätte wie schnell die beiden ihren Jeep über die holprige Caretera Austral steuern. Nach ein paar Minuten Fahrt kommen wir jedoch sicher am Ausgangspunkt des Wanderweges zum Vulkan an. Mit genügend Wasser und leider ohne an Sonnencreme zu denken (Ich verfluche mich schon seit 2 Tagen) marschieren wir los. Es gilt nun 800 hohenmeter in voraussichtlich 3h ( wir brauchen 5!) zu überwinden. Schritt für Schritt steigen wir über Asche, abgestorbene Bäume, und immer wieder auch grüne Reste von Pflanzen ,die die Hitze des Vulkans überlebt haben. Schon nach den ersten Metern durchgeschwitzt, arbeiten wir uns weiter , über einen Fluss mit klasklarem vulkanischem Wasser, durch dichter werdendes Gestrüpp, bis der Weg plötzlich aufhört. Irritiert schauen wir uns um, sehen aber nur sandigen, trockenen, mit Asche bedeckten Boden. Wir entschließen uns weiter nach oben zu marschieren. Ohne Guide ohne Karte, wandern wir, immer nach einem vorgetretenen Weg Ausschau haltend, weiter durch offenes Gelände in Richtung des rauchenden Vulkanschlunds . Nach weiteren Hohenmetern entdecken wir wieder den Pfad und folgen diesem. Je höher wir kommen , desto grandioser wird die Aussicht, und immer öfter bleiben wir stehen und drehen uns um. Nicht nur wegen der Aussicht sonder ein wenig auch wegen der Kondition, wie gesagt wir brauchen 5 statt wie angeschrieben 3 Stunden. Nachdem wir die letzten Meter hochgeklettert sind , stockt mir erstmal der Atem. Ich blicke tief hinab in ein Tal, sichtbar gefüllt mit angestauter, getrockneter Lava und einigen kleinen Seen, dem gegenüber, der rot braun gefärbte, immer rauchende Vulkan in die Höhe ragt. Es ist fantastisch! Auf der anderen Seite breitet sich unter uns, der dunkelgrüne Urwald, durchzogen von eine Schneise der Verwüstung, bis hin zum Pazifik aus.
Wir lassen uns erstmal auf ein Baumstumpf fallen, und das Panorama auf uns wirken bevor wir mit neuer Energie unsere Knie beim Abstieg auf die Probe stellen. Vorsichtig setzten wir jeden Schritt sehr überlegt. Nach den ersten Metern bekommt Catharina jedoch Schwierigkeiten. Trotz Stock rutscht sie immer wieder ab und verzweifelt zunehmends, zudem werden die Treppen immer steiler und der Sand bleibt so abgetreten und rutschig. Wir nehmen Catharina in die Mitte und springen weiter abwärts. Gerade als wir glauben das gröbste geschafft zu haben rutscht Catharina plötzlich aus. Der Stock fliegt ihr aus der Hand , und sie hat Glück das sie gerade noch verhindern kann auf ihren Hinterkopf zu stürzen. Geschockt von dem Sturz, verkrampft sie zunehmends und wir schaffen es geradeso heil zurück zum Parkplatz. Um uns von dem Abstieg zu erholen trampen wir noch zum Playa Santa Barbara, einem schwarzem Sandstrand an der Pazifikküste und hören uns, am dort gerade stattfindenden Strandfest, chilenische Volksmusik an. Nachdem wir erfolgreich nach Chaiten zurückgetrampt sind, lassen wir den Samstagabend noch in einem Restaurant mit typisch chilenischer Paia Marina ( Meeresfruchteeintopf) ausklingen. Am Hostel angekommen erzählen wir, bei Bier und einem chilenischen Pisco ( ich soll an dieser Stelle hinzufügen kein Pisco saur der ist aus Peru ) noch von unseren Reisen und scherzen bis 1 Uhr nachts. So schnell wird aus einem tristen Morgen ein unvergesslicher Tag!
5 Monate durch Chile reisen. Gletscher, Königspinguine, Wüste, Geysire, Vulkane, indigene Kulturen und vieles mehr, hält das längste Land der Welt geheim. Von Feuerland über Patagonien zur Atacama-Wüste bis hoch ins Andenaltiplano, 4.300km und über 39 Breitengrade von Süd nach Nord. Ein Land das fasziniert und noch viel unentdecktes bereithält. Seid Ihr mutig genug es zu erkunden? Die Geheimnisse von Bolivien und Peru gibt es hier: Der Link: travelandexploreboliviaperu.blogspot.com
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