Gegen Mittag machen wir uns auf dem Weg zum Busbahnhof, denn die Sonne soll in der Mittagshitze in den Geisterstädten Humberstone und Santa Laura unerträglich heiß sein. Am hektischen Mercado Zentral von Iquique setzen wir uns in eines der unzähligen Restaurants am terassengesäumten Rand des Marktes und ich bestelle einen Churrasco, während joshi ein Sandwich Brasilia probiert. Diesmal ist der Churrasco schlecht, dass Sandwich jedoch ganz ordentlich und satt sind wir beide geworden, sodass wir gerade rechtzeitig am Bus, welcher eine Ecke weiter abfährt, ankommen. Plötzlich fällt mir ein, dass wir in Humberstone campen wollen, jedoch noch nichts zu essen für die Nacht besorgt haben. Die Rucksäcke bei Joshi liegen lassend, hetze ich in den stickigen Markt, welcher natürlich alles verkauft außer Brot. Genervt aber beruhigt, wissend das chilenische Busse sowieso zu spät abfahren, renne ich eine Straße weiter, wo ich mich zu einem Supermarkt durchfrage. Ich jogge durch den Supermarkt und jeder Chilene bleibt geschockt über meine Hetze stehen und schaut mich geistesabwesend an. So viel Hektik, dass sind sie nicht gewöhnt, wenn die wüssten dass in den deutschen Supermärkten die Kassiererin die Butter nicht zehnmal hin und her dreht bis sie sie über den Barcode schiebt... Diesmal gefällt mir die chilenische Gemütlichkeit nicht, doch zwei Minuten später an unserem Bus freue ich mich über sie, als ich sehe, dass der Busfahrer, zehn nach, noch immer nicht unsere Rucksäcke verstaut hat. Es dauert fast eine Stunde bis der Bus endlich mit allen Fahrgästen losfährt! Kurz nach fünf werden wir am Rand der Panamericana, mitten in der Wüste rausgelassen. Mit Joshis Rucksacks und seinem Zelt ausgestattet laufen wir über die Autobahnbrücke bis zum Eingang der Geisterstadt Humberstone . Wir bezahlen gehorsam den Eintritt und fast wären wir mit dem Rucksack durchgekommen, als die Kassiererin, welche uns den Studentenpreis bezahlen ließ, interessiert frägt ob wir diesen nicht bei ihr lassen wollen. "Nein Nein" sagen wir und jetzt frägt sie doch erstaunt warum. Ich bin mal wieder zu ehrlich und gebe zu dass wir campen wollen, obwohl es auf dem eben ausgeteilten Fleier ausdrücklich untersagt ist. Ihr könnt euch denken, wir müssen den Rucksack dort lassen, jagen wir die Geister eben während des Sonnenuntergangs. Joshi recht froh nicht campen zu dürfen, hat er doch vor den Hunden, welche es angeblich nachts herumstreunern und auch etwas vor den Geistern Respekt, läuft vor in die Geisterstadt hinein. Zuerst treffen wir auf ein Wohnviertel. Die Tür des ersten Hauses baumelt quitschend in den Angeln als wir eintreten und den ersten Raum des kleinen Arbeiterhauses betreten. Eine verstaubte Glühbirne hängt von der Decke herab und an den Wänden sind Spielsachen der Kinder des Dorfes ausgestellt. Kurz betrachten wir die verrosteten Gegenstände, bevor wir uns aufmachen die angeblich stärker Spuckenden Orte, wie das berühmte Theater, zu erkunden. Die Sonne wandert weiter Richtung Westen, während wir den trockenen, leeren Straßen , bis zur Plaza folgen. Die Bäume der Plaza sind dürr und genauso leblos wie die Stadt. Die Bänke verrostet und das Holz trocken. Niemand sitzt mehr auf ihnen, keine Kinder die um die mittlerweile braune von der Sonne ausgezerrte Grünanlage rennen, keine Imbussbuden, keine Gaukler, nur die unaufhaltsame Sonne. Über die gesprungenen Pflastersteine überqueren wir die Plaza und laufen auf das berühmte Theater zu. Stars und Sternchen haben hier die Zylinder tragende erste Klasse unterhalten. Für die Verwalter und Gobernadeure muss die Salpetermine ein Vermögen eingebracht haben, denn das Theater ist groß. Joshi und ich treten in das seit über einem halben Jahrhundert verlassene Coriosum. Die Holzdielen auf denen die Farbe abblättert Ächzen laut auf als wir auf die hunderte fassende Bestuhlung zulaufen. Ich setze mich auf einen Stuhl in der ersten Reihe, doch die Ganieren sind ausgeleiert und der Sitz klappt krächzend nach unten , sodass ich erschrocken wieder aufstehe. Vorsichtig steige ich die dürren Holzstufen hinauf , und hoffe das sie mich auch nach 60 weiteren Jahren noch tragen. Es knarrt und plötzlich bewegt sich vor mir der rote Vorhang und ich bleibe auf der Stelle stehen. Nur der Wind. Ich drehe dem Vorhang den Rücken zu und betrachte die Zuschauerränge, während ich mir vorstelle wie die gehobenere Bevölkerung mit Anzug und Zylinder, die Frauen mit langen Kleidern im Stile der 50 er, auf die Vorführung warten. In der ersten Reihe die ärmere sich aufgeputze Schicht und auf der Bühne die berühmten Schauspieler aus der ganzen Welt. Durch die löchernen Wände pfeift der Wind , ich meine wieder eine Bewegung des Vorhanges zu erkennen und ein Wackeln der gläsernen runden Kronleuchter über Joshi, der abwartend vor der Bühne stehen geblieben ist. Das Licht der am Horizont verschwindenden Sonne scheint durch das breite Eingangsportal und lässt den Staub tanzen, bevor wir durch eben jenes Tor wieder hinaus auf die Straßen laufen, einmal tief durchschnaufen und gespannt in das frühere Krankenhaus treten.
Die gesprungenen Fenster beleuchten die kargen, schmalen Zimmer in denen einst sterbens kranke Arbeiter ihre letzten Atemzüge ausgehaucht haben. Ich stelle mir vor wie die Seelen der einst in diesen Räumen liegenden Kranken, durch die Löcher in den Wänden, durch die Splitter der Fenster und um die an den Decken baumelnden, gesprungenen Glühbirnen wehen. Es fröstelt mich kurz und etwas bezwungen laufe ich durch die Wirren Gänge des tristen Hospitals. Die Backsteinwände strahlen eine Kälte aus und die in der Luft flimmernden Staubkörner eine lebendige und doch so tote Atmosphäre. Erleichtert verlassen wir das frühere Krankenhaus und sind froh ein paar Meter im freien bis zum früheren Schwimmbad zu laufen. Ein rot brauner, eiserner, ausgetrockneter 4×6 Meter großer Pool , wird von verstaubten Steintribünen, einem ein bis fünf Meter hohen, verrosteten Sprungturm und einem, ebenfalls unter der gnadenlosen Sonne leidenden Vordach, eingerahmt. Das Freibad wirkt im Gegenteil zum Hospital nicht beängstigend sondern urkomisch, denn es fällt einem schwer sich vorzustellen dass hier mal Leute gebadet haben. Das in der Sonne rot glühende Metallbecken macht einen lustigen Eindruck und so gehen wir gut gelaunt, zurück Richtung Plaza in das frühere Hotel und Ballsaal.
Nachdem wir durch die Eingangshalle gelaufen sind betreten wir einen weiten , mit einigen alten Lampen behangenen Saal, dessen löcherne Decke hunderte kleine Lichtstrahlen in den geräumigen, jedoch menschenleere Raum wirft. Die Staubwolken werden von den Lichtstrahlen sichtbar gemacht und kurz meine ich einen lilanen Schein zu erkennen, doch sofort ist er wieder weg. Wir verlassen den Raum und bestellen an der Bar zwei Martini geschüttelt nicht gerührt, doch leider bedient uns keiner, sodass wir ohne Getränk zurück in den verlassenen stillen Balsaal laufen, wo ich schon wieder ein rot lilanen Schein entdecke, der jedoch einen Wimpernschlag später wieder weg ist. Verwirrt trete ich hinter Joshi hinaus auf die Plaza. Die Sonne verliert nun langsam an Kraft und beginnt den Himmel orange zu färben, während wir uns aufmachen, das Industriegebiet, also den Ort der Salpetergewinnung anzuschauen. Der Himmel ist mittlerweile rot gefärbt, genauso wie das Schild vor dem "Eingang" des Industriegebietes. Das Rot die höchste Gefahrenstufe ist und jeder Schritt mit bedacht gesetzt werden soll, hält uns nicht davon ab auf den ebenfalls verrosteten, hoch in den Himmel ragenden Eisenturm zuzlaufen. Über ihm kreisen Greifvögel , als wir den Kopf in den Nacken gelegt in den dunkler werdenden Himmel schauen. Wir laufen weiter, vorbei an rot leuchtenden metallenen Gerätschaften, in eine vom Sonnenuntergang beleuchtete, verlassene Produktionshalle. Der Wind weht durch die hohen Hallen und gebarstenen Fenster, sodass ein unheimliches Pfeifen mal lauter mal leiser an unsere Ohren dringt. Es gibt einem das Gefühl, dass die Arbeiter noch immer schweißtreibend die Maschinen bedienen und mit einem komischen Gefühl verlassenen wir die Halle , wo das Pfeifen verschwindet. Vorbei an im Schatten liegenden Fliesbänder laufen wir durch das hügelige, steinige Industriegebiet zurück zum Eingang der Geisterstadt wo wir den Rucksack wieder aufnehmen und über die Autobahnbrücke zur Bushaltestelle laufen. Alle Stunde fährt angeblich ein Bus an den mitten in der Wüste, verlassenen Geisterstädten vorbei, Richtung Iquique, doch wir versuchen trotzdem per Anhalter mitgenommen zu werden. Kurz bevor die Sonne endgültig untergeht, nimmt uns ein älteres, schweigsames Ehepaar in einem mit Kartoffeln und Gemüse vollgestopften Jeep mit. Langsam kämpft sich der Motor nach Iquique, wo wir Abends ankommen und ein Taxi zurück zum Surfhostel nehmen um unsere letzte Nacht in der Küstenstadt verbringen.
5 Monate durch Chile reisen. Gletscher, Königspinguine, Wüste, Geysire, Vulkane, indigene Kulturen und vieles mehr, hält das längste Land der Welt geheim. Von Feuerland über Patagonien zur Atacama-Wüste bis hoch ins Andenaltiplano, 4.300km und über 39 Breitengrade von Süd nach Nord. Ein Land das fasziniert und noch viel unentdecktes bereithält. Seid Ihr mutig genug es zu erkunden? Die Geheimnisse von Bolivien und Peru gibt es hier: Der Link: travelandexploreboliviaperu.blogspot.com
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