Mittwoch, 6. Mai 2015

Ein Graffiti, ein Irish-Pub und Pablo Neruda, im bezaubernden Valparaiso.

Eine von ihren Künstlern,  Dichtern verzauberte Stadt, so sagt man. Ohne Stadtkarte, dafür mit gezücktem Foto schlendern wir die kunstvollen Gassen entlang, und tatsächlich überkommt uns der Drang den Moment für immer festzuhalten. Am frühen Nachmittag verlassen wir unser Hostel zwischen dem Cerro Alegre und Cerro Concepcion, welche als Künstlergegend in einer Stadt voll von "Pintadores" gilt. Während wir durch die ruhigen Straßen laufen, entdecken wir alle zwei Meter neue Wandmalereien, kunstvolle Graffiti, Mosaik bedeckte Treppen , mit Figuren geschmückte Fensterläden der stilvollen Cafés, Bars oder Gassen voller kleiner Kunstgeschäfte, in denen jede Art von Schmuck, moderne Kunst, Ölmalereien, Holzfiguren und kreative, neuartige Kunst darauf wartet, berühmt zu werden. Die bemalten Häuser, die Strasenkunst und die geduldigen Maler führen uns wie in einem Film über die Kopfsteinpflaster des wirren Straßensystems, an welchem sogar Google Maps chancenlos scheitert. Plötzlich erreichen wir das Ende einer Gasse und ein unglaublicher Blick auf die bunten, den Hügel hinaufwachsenden Häuser und dem blau glitzerndem Meer im Augenwinkel, verzaubert uns nun endgültig. Nach unserer ersten Nacht im Hostel Jacaranda, in welchem meterhohe Räume scheinbar planlos mit einem von Spiegeln verzierten Flur verbunden sind , wartet Pablo Nerudas bekanntestes Haus auf uns.



 Pablo Neruda ist vielleicht der berühmteste Chilene, neben Salvador Allende und Augusto Pinochet, und bekannt als Dichter, der es zu Reichtum gebracht hat, dem jedoch viele Chilenen nachsagen, er hätte das Meiste nur dank seines großen Freundeskreises erlangt. Wieder folgen Joshi und Ich den bunten Gassen auf den Friedhof,  der allerdings nicht erwähnenswert ist, hoch zu dem neuen Kunstzentrum der Stadt,  wo gerade die besten Studenten Chiles, Ihre modernen, architektonischen Entwürfe präsentieren. Die Pläne der unterschiedlichen Gebäude sind interessant und gut präsentiert,  jedoch finden wir die hübschen Studentinen mindestens genauso Sehenswert. Der kurze Abstecher auf dem, jugendlichen Charme versprühenden Kunstpark, hat sich also gelohnt. Nach einer kleinen Pause unter schattenspendenden Palmen,  auf einer, natürlich,  kunstvollen Plaza, erreichen wir bald, das Haus von besagtem Dichter. Gespannt betreten wir das perfekt gelegene Haus. Neruda suchte angeblich über ein Jahr nach einem passenden Platz,  bevor er mit dem, ebenfalls Jahre andauernden, Bau begann. Joshi voran betreten wir den Eingangsbereich und unsere Füße gleiten über ein Mosaik, bevor wir eine Treppe , diesmal an einem Wandmosaik vorbei,  ins erste Geschoss gelangen. Die lichtdurchfluteten Räume sind mehr als kurios eingerichtet. Die Wände, Möbel,  Böden und Decken sind voll mit ungewöhnlichen Malereien, Landkarten, exotischen Kunstgegenständen, speziellen Kleidern aus der ganzen Welt und extraordinärem Besteck. Natürlich alles in wild konzipierten Räumen. Allen voran Joshi , aber auch Ich, kann nicht nachvollziehen was an dem, mit abartiger Kunst vollgestopften Haus, schön ist und trotzdem übt esspeziellen, zumindest auf mich, eine Faszination aus. Außerdem ist das Panorama über die bunte Stadt und dem Meer wohl tatsächlich das Beste in ganz Valparaiso.  Gegen späten Mittag erreichen wir wieder die Hauptstraße, entlang der Küste,  wo wir in einer Seitengasse, gut und günstige Pizza essen und den netten Web-Designer Francisco kennen lernen. Außerdem kauft Joshi drei Spray-Dosen , denn wir haben beschlossen es zu wagen, uns heute Nacht , illegal,  in einem verborgenen Winkel der Stadt, zu verewigen. Um 11 Uhr Nachts schalten wir die Playstation aus , ziehen die Bufftücher übers Gesicht und packen die Spray-Dosen in den Rucksack , bevor wir hinaus auf die dunklen Gassen treten. Meiner Meinung nach sind zu viele Menschen in den Gassen um ungestört Sprayen zu können,  aber vielleicht bin ich auch nur nervös.
"Lass uns vorher ein Pisco Sour trinken gehen, dann läuft das Graffiti von alleine " schlage ich Joshi vor, der sofort zustimmt und hochmotiviert zu der tagsüber ausgeguckten Wand läuft,  an der wir sprühen wollen.
Zügig biegen wir in die Seitengasse ein und laufen auf den geschlossenen Ascensor zu, wo wir rechts auf eine staubige Steintreppe überwechseln. Langsam schreiten wir die schmutzigen,  nur schwach beleuchteten Treppenstufe hinab. Schon nach den ersten Stufen tauchen im Schatten einer Ecke drei Frauen auf , nur um ein paar Stufen später an einer weiteren unheimlich wirkenden Gruppe vorbeizulaufen. "Habt ihr mehr Kokain?" fragen sie uns und wir gehen schnell weiter.
"Hier wollen wir sprayen? " stelle ich das Unterfangen kritisch in Frage .
"Ja das klappt schon ! " bleibt Joshi optimistisch und das ist gut so,  den der Abend sollte noch unvergesslich werden.
Wir klappern die beleuchteten Bars der Stadt ab , finden jedoch, erst nach mehreren Abzweigungen, eine einladende und nicht überfüllte Bar, die guten Pisco Sour anbietet. Zum ersten Mal probieren wir original gemixten Pisco Sour und sind begeistert. Das werden wir in Deutschland auf jedenfall einführen und so beschließen wir eins zwei Flaschen zu importieren. Gemütlich trinken wir den Pisco , während wir immer besser gelaunt sind und mit neuem Mut, über neue Gegenden zum sprayen nachdenken. Es ist Mitternacht,  als wir in eine schmale, dunkle und verlassene Gasse nach Graffiti geeigneten Wänden Ausschau halten. Vor einer verstaubten Ruine entscheiden wir ein schlechtes Graffiti zu übersprühen. Um genau zu sein Joshi entscheidet es , da er sich mit Graffiti auskennt und ich diesmal ahnungslos bin. Deshalb laufe ich auch nervös die Straße ab, um ungebetene Besucher rechtzeitig zu erspähen. Joshi zieht sich sein Buff-Tuch über Nase und Mund , ehe er gekonnt anfängt zu sprayen. Gefühlt viel zu laut krächzen die Dosen,  während sich die Wand langsam färbt und die Buchstaben "JF" deutlicher werden. Plötzlich höre ich Schritte und warne Joshi fast zu spät,  sodass ein älteres Pärchen leicht irritiert an uns vorbei schlendert.
"Hola " begrüßt Joshi sie halblaut bevor sie wortlos weiter laufen.
Gerade hatte ich mich an den Sound der Spray-Dosen gewöhnt,  doch jetzt bin ich wieder leicht nervös, obwohl ich langsam das Gefühl bekomme, dass es hier sowieso niemand interessiert und falls die "Carabinieros" kommen, rennen wir eben. Trotzdem drehe ich mich fünf Minuten später erschrocken zu Joshi um.
"Da vorne gingen gerade die Lichter an, was wenn sich der Nachbar beschwehrt? "
Aber auch diesen, und ich bin mir sicher er hat den Sound der Dosen gehört, kümmert es überhaupt nicht.  Das Graffiti nimmt allmählich Gestalt an, während wir entspannter werden und die Nacht voranschreitet . Gerade als ich mich ebenfalls an ein grausam schlechtes Graffiti wage, werden wir etwas zu locker. Ein Pärchen ertappt uns quasi auf frischer Tat, bevor wir gespielt relaxed so tun, als schauen wir uns auf meinem Foto die Bilder an, doch alleine der Geruch verrät Ihnen, wer das neue , glänzenden Graffiti gemalt hat.
"Hola "begrüßt Joshi auch sie. Ich dagegen atme erst wieder tief durch, nachdem sie, ohne ein Wort zu sagen, an der nächsten Ecke verschwinden. In der schwarzen Nacht malt Joshi das Graffiti immer entspannter zu Ende und auch ich gebe das hin und her laufen bald auf und wir schießen lachend Selfies. Stolz auf sein Bild läuft Joshi voran,  nachts um eins zurück in unser Hostel,  wo er eine Nachricht von Francisco erhält, der gerade mit einer Peruanischen Freundin in einem Irish-Pub chillt. Wir beschließen den Abend mit ihnen ausklingen zu lassen,  sodass wir bis um 4 Uhr morgens mit ihnen internationales Bier trinken. Die Peruanerin ist sowie der Chilene sympathisch und hübsch,  sodass wir uns super verstehen und bis heute mit Francisco Kontakt halten.
 Am nächsten Morgen schlafen wir aus , bevor wir Bundesliga Radio hören, um danach um den Abstiegsbedrohten HSV zu zittern. An dieser Stelle grüße an Opa Wetzel: Mittlerweile zeigt sich mal wieder, der Dino steigt einfach nicht ab. :D Am letzten Tag setzt sich Joshi zu den vielen Künstlern und beginnt ebenfalls zu zeichnen , während ich das Meer entlang schlendere,  was allerdings durch die direkt an der Küste verlaufende Bahn Strecke nicht allzu schön ist, bis zum Hafen,  wo Gaukler vor den vielen kleinen Holzbooten und großen Frachtern, bewacht von den grauen Kriegsschiffen, die Horde Touristen bei Laune halten.
 Während ich es genieße Mal wieder alleine durch die Straßen zu schlendern, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf und stelle fest wie schön das Leben ist und bedanke mich innerlich für die tolle Zeit. Es macht mir Spaß alle möglichen philosophischen Gedanken in die verschiedenen Richtungen zu spinnen, um vor allen Dingen festzustellen: Ich möchte in meinem Leben meinen Gedanken, meinen Ideen irgendwie Ausdruck verleihen, sowie die vielen Künstler hier auch.  Gerade in Sachen Umwelt und Toleranz in einer globalisierten Welt, sollte unsere Generation sich nicht hinter dem Schreibtisch und dem Luxus der Industrienation Deutschland verkriechen,  sondern versuchen etwas zu bewegen. Wir sollten uns verstärkt mit den Nationen und deren Situation beschäftigen,  in die wir exportieren.  Wirtschaft geht umweltfreundlich und fair da bin ich mir sicher. Jeder kann dazu etwas beitragen, auch wenn es nur die Erdbeere aus Spanien ist, auf die wir verzichten oder der albanische Hauptschüler,  dem wir mit offenem Herzen eine Chance geben. Aber gut Denken ist leicht,  handeln oftmals schwer, denn auch ich liebe die Bananen aus Ecuador. Vom Hafen aus, schlendere ich zu einem hundert Jahre alten "Ascensor" . Gespannt betrete ich die klapprige Stahlkabine und betrachte die verrosteten Zugseile. Langsam ruckelt der Kasten fast 90 Grad steil hinauf, um nach zwei drei Minuten zwischen zwei Häusern stehen zu bleiben. Direkt vor dem Nationalen Kunstmuseum trete ich auf die Straße, bezahle den Eintritt für "Extranjeros" und betrete das mit Ölmalereien gefüllte,  stille Museum. Ich habe nicht allzu viel Kunstinteresse und trotzdem ist es interessant, die verschiedenen Bilder auf mich wirken zu lassen . Mal bleibe ich beeindruckt länger stehen,  ein anderes Mal laufe ich nach einem flüchtigen Blick weiter, bis ich nach einer Stunde durch bin, und zurück zu Joshi,  der im Hostel auf mich wartet, laufe.

 Dort angekommen reservieren wir die Tauchtour für morgen.  12 Meter tief im Meer und das beim ersten Tauchversuch? !            

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