Mitten im Gebiet der Mapuche, lässt uns der Busfahrer an der wenig befahrenen, von weiten Landgütern umgebenen Schnellstraße aussteigen. Joshi und ich, nur mit meiner Betty Barcley Tüte und dem praktischen, wasserdichten Rucksack von Leonie ausgestattet, laufen, der Beschreibung folgend, die Schnellstraße entlang, auf der Suche nach einer Brücke,welche zu den Ureinwohnern Südamerikas führen soll. Die Sonne scheint am blauen Himmel , während wir auf den schneebedeckten Gipfel des Vulkan Lonquimay blicken, der in entgegengestzter Richtung des im Februar ausgebrochenen Villarica liegt. Nach einem Schild Ausschau haltend folgen wir dem Straßenrand einige Meter vergebens, weshalb wir einen älteren Mann fragen, ob er wisse wo Señora Irma, die Mapuche Heilerin, welche wir besuchen wollen, wohnt. Er zeigt uns den Weg und wir stellen fest, dass wir in die falsche Richtung gelaufen sind. Diesmal mit Blick auf den Asche bedeckten Villarica, finden wir schnell die richtige Brücke hinter der ein Weg zu dem großen Gelände, namens Kilalefu, führt, wo eine Tierschar von Schweinen, Katzen , Hühnern und ein Hund uns begrüßt. Herzlich Willkommen heißt uns auch die Tochter von Senora Irma, Margot , welche ,zu unser positiver Überraschung, sogar etwas deutsch spricht, da ihr Mann aus Österreich kommt. Interessiert treten wir in das freundliche Holzhaus ein. Ein verzierter Eisenkamin, eine Küche voller frischer Speisen, Wände behangen mit traditionellen Mapuche-Gegenständen, wie Fridenspfeifen oder Blasinstrumenten ähnelde Hörner, sowie schick gewebte Wandteppiche verleihen der Wohnung eine warme, herzliche Atmosphäre, wozu die freche, zwei bis drei Monate alte Katze, ebenfalls ihren Teil beiträgt. Offen begrüßt uns nun auch Senora Irma und ihr Mann ,sowie die etwas schüchterne, 13 Jährige Tochter von Margot. An dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass es durchaus ein Privileg ist, der Mapuche Kultur näher zu kommen, da die meisten Familien aufgrund der blutigen Vergangenheit, selten die Geheimnisse der Sprache, der Kultur und dessen Geschichte preisgeben. Hinzukommt, dass Chile das einzige Land in Südamerika ist, welches bis heute die Ureinwohner nicht offiziell anerkennt. Jedenfalls haben wir Glück, genau rechtzeitig zum Mittagessen gekommen zu sein, denn die mehrfach ausgezeichnete Köchin, serviert, aus dem gerade gepflückten Gemüse, genial eingelegtes Lauch, Rotebetesalat, Karottensalat, gekochte Maiskolben, zu einer hervorragenden Gemüsesuppe, welche mir bisher unbekannte Gewürze beinhalten muss, da sie ausgefallen gut schmeckt, einen selbstgemachten, leicht gegärten Apgelsaft, sowie frische Brötchen. Alle Zutaten stammen aus dem eigenen Garten, der traditionell, komplett ohne industrielle Hilfsmittel, seit Generationen per Hand, liebevoll, mit viel Arbeit gepflegt wird. Nachdem Essen zeigt uns Margot stolz, noch den besagten Gemüsegarten, bevor es in einem scheppernden, alten Jeep zu ihrer eigenen Farm geht, wo sie uns das herrliche, am Fluss gelegene Gelände, mit ihren fein konstruierten Holzhäusern, sowie die Wolle der gestern geschorenen Schaafe zeigt.
In der Nachmittagssonne, am schattigen Fluss, ruhen wir uns ein wenig aus, bevor es zum Apfelsammeln, auf ein weiteres Grundstück geht, was aufregender werden sollte, als man es vom Apfelsammeln erwartet! Am dritten, mit Bäumen bepflanzten Land der Familie angelangt, haben wir nach 2 h Stunden drei prall gefüllte Säcke gefüllt, die ungefähr für 60 Liter Apgelsaft reichen. Die Sonne schiebt sich schon langsam hinter den Horizont, als uns Margot den Weg zurück, zu ihrem Campo, beschreibt.
"Wollt ihr den langen Weg, über die Straße oder die Abkürzung durch den Fluss nehmen? " fragt sie uns.
Wir zögern nicht lange und entscheiden uns für den Fluss, denn, ein bisschen Abenteuer, dafür sind wir doch hier. Der Himmel ist dunkelblau und am Horizont erkennen wir orangene Streifen, während der Gipfel des Vulkan Villarica, in der Abenddämmerung, rot glüht. In die anbrechende Dämmerung hinein laufen wir einen Feldweg entlang, der uns bald an ein hölzernes Gatter führt.
"Über das erste Gatter, dann rechts bis zu einem zweiten, meinte die Mapuche. " erinnern wir uns und klettern über den Holzzaun in bewaldetes Gelände . Die Sonne ist mittlerweile hinter den Bergen verschwunden, sodass sich unsere Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, während wir dem laubbedeckten Pfad, tiefer in den Wald hinein, folgen. Bald erreichen wir das zweite Gatter hinter dem wir das Rauschen des Flusses wahrnehmen. Die Nacht bricht schneller herein, als wir gehofft hatten. Als wir den Fluss erreichen ist es schon dunkel, sodass wir uns durch die Schatten des bewaldeten Ufers, bis vor an den Fluss kämpfen. Das dunkel, glitzernde Wasser liegt beunruhigend still vor uns. Im Zwielicht der Dämmerung erkennen wir das andere Ufer fast nicht, was es schwer macht die richtige Stelle zur Flussüberquerung zu finden. Zwar hat uns die Mapuche heute Nachmittag die seichte Stelle auf ihrem Gelände gezeigt, jedoch wirkt in der Dunkelheit fast jede Stelle des Flusses gleich, geschweige den zu ermessen ob der Flussabschnitt nun seicht oder tief ist. Die Nacht ist klar, der sichelförmige Mond spendet nur wenig Licht, dafür leuchten hunderte Sterne am Himmel und uns wird klar, warum die Griechen diese Ansammlung von Sternen Milchstraße nannten. Allerdings lässt ein klarer Himmel auch die Temperatur ordentlich sinken, weshalb wir,einigen Respekt, vor dem unheimlich, dunklen Wasser des Flusses haben. Keiner von uns ist sich sicher die richtige Stelle zur Flussüberquerung entdeckt zu haben, aber wir wollen auch nicht aufgeben, weshalb wir uns für eine Stelle einigen. Ich krempele meine kurze Jeanshose soweit wie möglich hoch, bevor ich mich langsam bis auf den Grund des Flusses sinken lasse. Meine Füße berühren den sandigen Grund und ich stehe schon bis über die Knie im Wasser. Plötzlich gibt der Boden unter mir nach und ich sinke immer tiefer in den Schlamm, dass Wasser reicht mir bald bis zur Hüfte und meine Füße finden noch immer keinen Halt. Ich löse mich aus meiner Schockstarre und beginne schnell ans andere Ufer zu laufen bevor ich ganz einsinke. Durch das tiefe, schwarze Wasser , laufe ich auf die Schämen der Bäume auf der anderen Seite zu, während ich tiefer in den schlammigen Grund sinke. Das Wasser hat schon mein Polo Shirt erreicht, als ich endlich Steine unter meinen Füße spüre. Anstatt jedoch sicher aufzutreten, rutsche ich auf den runden Steinen aus und liege nun endgültig bis zum Kinn im kalten Wasser. Mitten in der sternenklaren Nacht stapfe ich triefend ans andere Ufer, wo ich erschrocken feststelle, dass wir auf einem anderen Campo gelandet sind. Ich rufe Joshi zu, er solle alle Kleider ausziehen und über das Wasser halten, während ich fieberhaft überlege, wo wir uns befinden und wie wir zum Campo von Margot gelangen können. Joshi erreicht ebenfalls das andere Ufer klatschnass, jedoch mit trockenen Kleidern. In der Dunkelheit erkennen wir in der Ferne ein paar Lichter und folgen diesen zitternd, bis uns Stacheldraht den Weg versperrt. Vorsichtig klettern wir darüber, nur um gleich unter dem nächsten hindurchzuschlüpfen. Meine nassen Kleider tropfen auf den Boden, während wir einem Weg, zwischen zwei unbekannten Campos, bis zur Hauptstraße folgen. Wir beschließen bei der nächst besten Gelegenheit an einem Haus zu klingeln, sodass wir an einem weißen Holzhaus von einem jungen Mann empfangen werden. Triefend trete ich in die warme Stube, wo wir den 19 jährigen Christian nach dem Weg fragen, was sich als schwer herausstellt, da wir den Namen von Margot vergessen haben. Aufs verrecken will er uns nicht einfallen, während Joshi sich immer mehr Sorgen um mich macht. Zitternd versuche ich locker zu bleiben, was mir ganz gut gelingt, da ich mir sicher bin, dass wir einen Weg zurück zum Campo finden, wo bestimmt ein gutes Abendessen und ein warmes Bett auf uns wartet. Außerdem ist es ja nicht gerade das erste Mal, dass ich mich verirrt habe. Allerdings gestaltet sich die Suche erstmal schwierig, da Christian der Name des Campos nichts sagt und Google Maps aufgrund des schwachen Internets nichts taugt. Nach einer gefühlten Ewigkeit fällt mir der Name von der 13 jährigen Tochter ein,Charlotte, die Christian von der Schule noch kennt und nun endlich das Campo zuordnen kann. Erst jetzt gibt er mir eine Fliesjacke und wir machen uns mit Taschenlampen auf, einen schmalen Pfad durch Gebüch und über die unterschiedlichsten Gatter , immer dem Licht Christians folgend, bis zu Margots Grundstück zu laufen. Vorbei an dichtem Gebüsch , möglichst Nahe beieinander bleibend, da die Dunkelheit uns sonst verschluckt, steigen wir über Sträucher und Wurzeln, wobei wir nicht wenige Kratzer abbekommen. Aber gut, "nur die Harten kommen in den Garten", erinnere ich Joshi an seinen Leitspruch. Der ursprüngliche Weg muss simple gewesen sein, denn wir sind wohl einfach zu weit in den Wald hinein gelaufen, erläutert uns Christian, der sich bestens auskennt und einem für uns unsichtbarem Weg folgt. Jedenfalls erreichen wir endlich unser Campo, wo Margot uns besorgt empfängt, sogleich eine warme Suppe auftischt, die Kleider trocknet und sogar noch einen selbst gemachten Nachtisch serviert. Nachdem uns wieder warm wurde, unterhalten wir uns interessiert mit Margot. Sie erzählt uns von der Lebensweise mit der Natur und den Schwirigkeiten, welche die Moderne und die Globalisierung für Sie mit sich bringt. Alle vier Brüder von Ihr haben sich gegen ein autarkes Leben auf dem Land entschieden. "Es ist einfacher im Büro zu sitzen, im Supermarkt einzukaufen, mit dem Auto zu fahren , günstige Kleider, Made in Taiwan, zu kaufen, statt Schaafe zu scheren, nur dann Milch zu trinken wenn die Kühe auch Schwanger sind, anstatt sie künstlich zu befruchten . Fleisch gibt es sehr, sehr selten, der Gemüsegarten muss jeden Winter gegen das Hochwasser geschützt werden und das große Gelände verlangt täglich Stunden an Arbeit. Dafür wurde meine Tochter noch kein einziges Mal auch nur leicht Krank. Aber auch sie will studieren, am liebsten in Österreich bei ihrem Vater und ich werde sie dabei unterstützen." Schon Margot ist nur zu Hälfte eine Mapuche und mit ihrer Tochter wird dann wohl der letzte Nachfolger, das Campo verlassen. Wir unterhalten uns noch einige Zeit über die Vorteile des modernen Systems und die Fehler. "Vielen ist nicht Mal bewusst wie sehr sie entgegen des natürlichen Zyklus leben und wenn, dann ist es leicht darüber zu reden, doch nur wenige schaffen es, dann auch nach den Regeln der Natur zu leben. " Ich muss zugeben , ich kann mir zwar ein Urlaub auf diesem schönen, autarken Campo vorstellen, aber ein Leben ganz ohne unsere luxuriöse, moderne Welt keinesfalls. Selbst kleine Einschränkungen, wie weniger Auto fahren oder weniger Fleisch zu essen und nur saisonal, heimisches Obst und Gemüse, sind schwer umzusetzen, wenn man in unserem System groß geworden ist. Was mir persönlich am meisten im Gedächtnis bleibt ist, dass mir gar nicht bewusst war, das Hühner oder Kühe nur dann Eier legen oder Milch abgeben, wenn sie schwanger sind. Was das für die Tiere in der Industrie bedeutet, kann sich jeder selbst vorstellen. Trotzdem gehen wir in den Supermarkt und wollen dann Käse, dann Milch, dann Fleisch, dann Eier wann es uns passt und nicht wann die Natur es hergibt. Und auf Ananas und Banane möchte auch niemand verzichten, nur weil sie bei uns nicht wachsen. Doch jeder kann sich selbst fragen welche Lebensweise "besser" oder " schlechter" ist, denn ich glaube, beides hat Vor und Nachteile und ist auf verschiedene Arten zu rechtfertigen. Genug Philosophie! Dieser Abend war aufregend und das Gespräch mit der Mapuche eines der Interessantesten das ich je Geführt habe und ich hoffe einiges umsetzen zu können oder zumindest, mir einigen Dingen bewusster zu sein. Müde gehen wir, in den Bambusstäben abgegrenzten Räumlichkeiten der Holzhuette schlafen. Morgen sollte uns die Kultur der Mapuche näher erklärt werden. Nach einem Frühstück mit frisch gelegten Eiern, gerade gepflückten Tomaten und selbst gemachter Marmelade, fahren wir zurück zum Campo Kilalefu, wo uns Margot das traditionelle "Ruka" ein Haus der Mapuche zeigt.
Señora Irma stammt ursprünglich aus der Küstenregion, der Grund warum das Ruka nur spärlich mit Stroh bedeckt ist, denn weiter im Inland sind die Rukas aus festerem Holz, erklärt uns Margot. Sie zeigt uns die Trommel und erläutert wie eine Heilzeremomie funktioniert. Blätter des heiligen Mapuche-Baumes werden rauchend verbrannt, während eine "Mati" auf einer, mit dem Symbol der Mapuche verzierten Trommel, bestimmte Rhythmen spielt. Der untere Teil des Symbols bezeichnet die Erde, das obere das Universum und nur im schmalen Bereich, zwischen den beiden Welten, leben die Menschen, als Passagiere auf der Erde. Nur eine Mati darf den oberen Teil der Trommel, das Universum bespielen. Für die Mapuche sind wir Menschen nur Besucher zwischen Universum und Erde, genauso wie die anderen Lebewesen, weshalb wir auch gleich wertig mit ihnen sind. Das ist auch der Grund warum die Mapuche etwas wie "Besitz" nicht kennen. Sie leben mit der Natur und den Tieren, besitzen sie aber nicht, sondern lassen sie auf ihre natürliche Weise leben. Margot erklärt uns noch die Flagge der Mapuche. Blau symbolisiert wieder das Universum, Grün die Erde und rot den blutigen Krieg mit den Spaniern. Zu unserer bzw. vor allem meiner Freude, eröffnet uns Margot, dass heute, zufällig, in der Nähe eine Zeremonie der Mapuche stattfindet. Dort darf man zwar nur hin, wenn man das Gefühl hat die heilende Zeremonie zu brauchen, aber mit etwas Abstand könnten wir uns schon den Feierlichkeiten nähern. Wir beschließen die Zeremonie von der Ferne aus zu betrachten, also laufen wir bei sonnigem Wetter, gut gelaunt über den Feldweg, in Richtung der lauten Stimmen und hohen Rauchfahnen. Wir haben Glück, eine nette chilenische Familie nimmt uns auf dem Hänger ihres Jeeps mit und Joshi kommt zum zweiten Mal in den Genuss, auf einem Hänger den Fahrtwind, in einer mit Vulkanen umgeben Landschaft, zu genießen, denn schon Margot hatte uns auf dem Hänger, mitsamt ihren Hunden, fahren lassen und es macht bei schönem Wetter wirklich Spaß.
Joshi mit kritischem Blick, ich mit der Neugier in den Augen, nähern wir uns, den sehr speziell duftenden Rauchfahnen, mit Flaggen ausgestatten, komische Geräusche von sich gebenden Reitern, welche in drei Gruppen im Kreis galoppieren, wie wenn sie sich gegenseitig jagen würden. Kampfgejohle, rhythmische, unbestimmbare Laute mischen sich mit den trampelnden Hufen der Pferde und den ab und an erklingenden Jubelschreie, wenn sich eine Reitergruppe vor den im Rauch gehüllten Zuschauern, stolz, aufbaut. Aus sicherer Entfernung, Joshis Pferdeallergie Tribut zollend, betrachten wir das Ritual. Immer wieder reiten die drei Gruppen, mit gleichem Abstand ,um die , in den Himmel ragenden Rauchsäulen, um an bestimmten Stellen festgelegte Laute von sich zu geben. Diese Szenerie mit dem rauchenden Villarica im Hintergrund, dem blauen Himmel und der sonnenbeschienen Steppe, erinnert tatsächlich an die Indianerkämpfe aus den Western Filmen. Wir beobachten den identischen Ablauf der Zeremonie ein paar Mal, bis wir genug haben und uns auf den Weg, zurück in unsere Hospedaje machen.
Unsere Tage in Pucon neigen sich dem Ende, sodass wir unser Ticket nach Temuco buchen, wo es Mal wieder Zeit zum Campen ist. Die mondlandschaft des Nationalparks Malalcueiio-Nalcas wartet auf uns.
5 Monate durch Chile reisen. Gletscher, Königspinguine, Wüste, Geysire, Vulkane, indigene Kulturen und vieles mehr, hält das längste Land der Welt geheim. Von Feuerland über Patagonien zur Atacama-Wüste bis hoch ins Andenaltiplano, 4.300km und über 39 Breitengrade von Süd nach Nord. Ein Land das fasziniert und noch viel unentdecktes bereithält. Seid Ihr mutig genug es zu erkunden? Die Geheimnisse von Bolivien und Peru gibt es hier: Der Link: travelandexploreboliviaperu.blogspot.com
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