Sonntag, 29. März 2015

Chill-Out-Day mit Einheimischen in Puerto Natales , Museen und ein Wiedersehen in Punto Arenas

Sanft strömt das Licht durch das Fenster. Ich recke und strecke mich, wühle mich in den Decken, in Chile bekommt man immer zwei bis fünf Decken, hin und her, bevor ich beschließe noch ein bisschen liegen zu bleiben. Es ist 12 Uhr Mittags,  als ich endlich frisch rasiert,  schick, mit bisschen Gel in den Haaren, Jeans und Polo-Shirt, die Straßen von Puerto Natales betrete. Das feine , preiswerte Hostel habe ich für 2 Nächte gebucht, weil ich heute einen Chill-Out-Day einlegen will. Gemütlich,  schlendere ich, die Einheimischen auf den Straßen beobachtend, durch die Gassen, lese mir die Angebote in den Schaufensterläden, Bars und Restaurants durch, bis ich die schnuckelige Plaza erreiche,  das Herz jeder chilenischen Stadt. Ich habe Lust auf ein warmes, vielseitiges Mittagsmenü, weshalb ich interessiert die günstigen Angebote auf den Kreidetafeln der heimischen Restaurants lese. Ich will in keines der touristischen Restaurants und auch keine Amerikanische oder nachgemachte Europäische Küche, sondern was neues probieren. In der Nähe der Plaza bleibe ich vor einem unscheinbar wirkenden Restaurant stehen. 3.500 Pesos für ein Mittagsmenü und es gibt anscheinend Spargelcremsuppe . Eine Chilenin mittleren Alters schlendert zielstrebig auf die Tür des Restaurants zu und fängt meinen neugierigen Blick auf.
"Muy bien" nickt sie mir zu.
"Si" antworte ich und bin schon zwei Schritte weiter, als ich doch umkehre und ebenfalls das Restaurant betrete. Der Innenraum ist aus schlichtem Holz , ab und zu mit Bildern oder Schmuckstücken dekoriert. Am Fenster entdecke ich die Frau an einem dreier Tisch, alleine sitzend, weshalb ich sie kurzerhand frage, ob ich mich dazusetzten darf.
"Sipo" bekräftigt sie. "Sipo " benutzen Sie hier für alles . Heißt aber so viel wie klar, natürlich - in diesem Kontext zumindest.
Zufrieden setze ich mich gegenüber der einheimischen Mittagspauslerin und bestelle wie sie, das Tagesmenü und "das beste Leitungswasser der Welt", bevor sich kurz darauf ein Mitte zwanziger,  in einer Brauerei arbeitender, weiterer Mittagspausler ebenfalls zu uns gesselt. Zu dritt genießen wir das Menü, während sie mir von Puerto Natales, ihrer Arbeit und den Sehenswürdigkeiten rund um Punto Arenas, meinem nächsten Ziel, erzählen. Im Gegenzug berichte ich von meinen Reiserfahrungen und stelle fest wie viel ich schon erlebt habe.  Mir wird zum ersten Mal bewusst, dass ich schon über einen Monat in Südamerika bin, und dieser vollbepackt mit Erlebnissen war. In meine Stimme legt sich etwas stolz, dass gebe ich zu, als ich vom Trampen oder den Tagen in Torres del Paine berichte. Jedenfalls ist das Essen super, vor allem der Gruß aus der Küche ,  warmes Brötchen mit Pebre,  eine Art Tomatengewürzmix, das leicht scharf schmeckt, bleibt mir im Gedächtnis.  Weil unsere kleine Runde so nett und lustig war, verabreden wir uns für morgen Mittag um die selbe Zeit. Fröhlich pfeifend schlendere ich zum Supermarkt, wo ich mir ein süßes Teilchen gönne,  während die beiden aus dem Restaurant zurück an die Arbeit gehen. Verdammt geht's mir gut! Wie lange bin ich noch hier? Nur drei Monate noch, vielleicht sollte ich sparsamer Haushalten und die Reise verlängern, aber jetzt genieße ich erstmal noch die drei Monate,  sage ich mir. Am gleichen Abend lasse ich noch meine gesamte Wäsche waschen, trocknen und bekomme sie sogar zusammengelegt,  noch so ein Luxus. An diesem Abend liege ich in meinem weichen , warmen Bett, gut genährt und bedanke mich wirklich in Gedanken bei Gott, meiner Familie und allen Menschen die mir einfallen,  dass sie mir diese Tage ermöglicht haben und komme mir fast etwas beschämt dabei vor, wenn ich daran denke, dass andere jetzt arbeiten müssen oder so etwas vielleicht nie erleben dürfen. Und dann kommt noch hinzu, dass zu Hause in Deutschland, ein nicht minder schönes Leben auf mich wartet.  Im Gegenteil, es ist nur anders. Am nächsten  Tag treffe ich wieder die beiden Chilenen im selben Restaurant und Freddy bringt sogar seine Freundin mit, sodass wir eine fröhliche mittags Gesellschaft bilden. Diesmal gibt es Muscheln als Vorspeise und natürlich wieder mein geliebtes Pebre, wovon die Bedienung  für mich sogar eine extra große Portion serviert. Ich lerne wieder einige spanische Wörter und auch verstehen kann ich die Leute immer besser, wenn gleich ich nichts mehr kapiere sobald sie untereinander anfangen zu reden. "Cachai "oder"Sipo" diese  typisch chilenischen Worte stehen in keinem Wörterbuch. Freddy und seine Freundin haben heute Nachmittag frei und die nette Dame, habe leider ihren Namen vergessen,  nimmt sich einfach frei, sodass wir zum Abschluss noch in eine schickes Café gehen,  wo ich alle einlade,  weil sie mich so herzlich aufgenommen haben...und ich einfach gut gelaunt bin. Jedenfalls echter Capuccino und zart schmelzendes Eisparfue runden mein Aufenthalt in Puerto Natales und Torres del Paine grandios ab.  Am Nachmittag geht's nach Punto Arenas,  der südlichsten Großstadt der Welt, wo hoffentlich Königspinguine und einige spannende Museen,  sowie die berühmte Magellanstrase auf mich warten.
 Nach 3 Stunden Fahrt , hält der Bus im nächtlichen Punto Arenas. Ohne Orientierung begebe ich mich auf die Suche nach den von LonelyPlanet empfohlenen Hostels, entscheide jedoch bald einfach die Straßen nach Budgetunterkunften abzuklappern ohne groß nach Reiseführer zu gehen. Nachdem mir drei Mal der Preis zu teuer war, entdecke ich ein weiteres Hospedaje Schild und frage dort nach. Eine rundliche,  freundlich-stramm wirkende Senora öffnet mir die Tür und ich trete erstmal ein.
"8.000 pro Nacht  mit Bad, Küche und 4 Bettzimmer. "
Das hört sich gut an, zumal ich froh bin zu dieser späten Stunde noch was gefunden zu haben. Ich beschließe in dieser schicken Unterkunft zu bleiben und je nach Busverbindung, morgen eventuell ein günstigeres Hostel zu suchen, was ich dann doch nicht tat. Jedenfalls ist das Hostel "Dona  Anita" sehr gastfreundlich, die beiden Bäder sauber und mit warmen Wasser ausgestattet und die Gemeinschaftsküche ist auch groß genug, sodass ich für die nächsten 6 Nächte bezahle und mein Quartier beziehe. Warum so viele Nächte in Punto Arenas? Zum einen weil von hier aus viele spannende Touren starten, zum anderen weil es ein attraktiverer Ort als Puerto Montt ist,  um auf Joshi zu warten.  Aber was heißt warten , mein Programm ist voll mit Touren und Museen.  Als erstes geht es nach Furte Bulnes und Puerto Hambre, die erste Chilenische Siedlung im Süden Südamerikas . Pünktlich um fünf vor 10 kreuze ich im Büro der Tourismusagentur auf. Fast beleidigt weißen mich, die gerade mit dem Frühstück beschäftigten Chilenen, daraufhin,  dass es erst fünf vor ist. Obwohl mein Opa immer sagt fünf vor ist pünktlich und nicht Punkt 12, scheint hier, zehn nach, pünktlich zu sein, denn der Van taucht erst um halb 11 vor der Agentur auf und nimmt mich mit , zur ersten Ansiedlung im Süden Südamerikas. Die Fahrt führt am Meer entlang , über dem ein herrlicher Regenbogen strahlt,  nachdem der Morgen mit Regen begonnen hatte.
 Bei Sonnenschein kommen wir jedoch in Fuerte Bulnes an, wo uns ein englischsprachiger Guide von der Conaf begrüßt . Er kann nicht wirklich englisch,  sodass ich nur in Grundzügen nachvollziehen kann, was er mir über die Entstehung des Dorfes erklärt.  Mit zwei weiteren Deutschen,  die es,wie gesagt überall gibt, stehe ich am Rand eines kleinen Hügels vor dem Palisadenzaun der Siedlung.
 1843 kamen hier die ersten Siedler von Chiloe aus, mit dem Schoner  Ancud an, um die südlichen Regionen Südamerikas offiziell zu chilenischen Territorium zu erklären.   Der Conaf Mitarbeiter führt uns durch ein Holztor zum ältesten Haus des Dorfes, gleichzeitig das erste Haus in Südchile ist ungefähr so groß wie die Holzhuetten auf den Spielplätzen,  allerdings wohnten dort um die 10 Siedler. Das Dorf besteht aus verschieden großen, ähnlich gebauten Holzhütten,  also nichts besonderes. Viel faszinierender ist die Historie des Dorfes und welche Faktoren bei einer Stadtgründung eine Rolle spielen. In Furte Bulnes sorgte der kalte Winter und Verbrecher, die als Strafe hierher geschickt wurden, zu sozialen Problemen,  bis der dritte Gouverneur der Siedlung entschied, ein paar Kilometer nördlich eine neue Siedlung zu gründen,  sodass an der Magellanstrase, 1846 das heutige Punto Arenas entstand. Auch hier musste erstmal ein Aufstand der Gefangenen bewältigt werden , bis die Schafzucht und die besondere Lage an der Magellanstrase, der Kleinstadt Wohlstand brachte. Am Ende unserer kleinen Führung laufen wir auf einen kleinen Steg, von wo aus wir den Pazifik und gleichzeitig den Atlantik erblicken können. Ein Unterschied erkenne ich, im mittlerweile strömenden Regen, allerdings nicht. Nachdem wir uns im Café des Nationalparkes wieder aufgewärmt haben und zum zweiten Mal am Tag ein Regenbogen erscheint, fährt uns der Kleinbus noch zum Hungerhafen Puerto Hambre,  was sich als normale Küste mit einem Erinnernungsschild entpuppt. Nach dieser ersten Tour lasse ich die nächsten Tage in Punto Arenas gemütlich verstreichen, schlafe morgens aus, gönne mir Mittags ein Te con Leche mit einem  Süßenteilchen,  bevor ich mir einmal das Maritime Museum,  einmal den prunkvollen Friedhof und ein anderes Mal das Sarah -Braun -Museum anschaue. Das Maritime Museum, beschreibt auf englisch und spanisch die spannende Historie der Seefahrt rund um die Magellanstrase,  sowie die Reise zum Südpol, mit Miniaturschiffen, Bildern und originalen Bauteile der Schiffe. Nach einem Te con Leche und einem Stück Schokotorte schlendere ich, in die Historie versunken, durch das Museum, bis in den zweiten Stock, der sogar wie ein U-Boot eingerichtet ist, und die verschiedenen Räume, Themen, wie Wetter, Kommunikation und Kartografie, sowie dem Salpeterkrieg zwischen Peru und Chile, gewidmet sind. Die Zeit vergessend betrachte ich die Ausstellungsstücke und stelle mir vor, wie die Kapitäne, in ihrer Kajüte, auf hoher See, mit zirkelartigen Geräten aus den anfangs ungenauen Karten, Abstände, Ruten und die eigene Position, heruasgelesen haben. Wie die Crew von Ernest Henry  Sheckleton  nach eiskalten Tagen, mit der Neuerung Flugzeug, aus dem ewigen Eis gerettet wurden. Oder wie die Pioniere der Seefahrt auf die nackten, schwarz-weis bemalten Oberkörper der Ureinwohner getroffen sind und die vielen indigenen Feuer, aus der Ferne erblickt, zu dem Namen, "Feuerland ", geführt haben. Vom Salpeterkrieg berichten die Chilenen gerne und stolz , wie die chilenische Flotte, der weit überlegenen Peruenesichen, den Zahn zog. Schon auf der Fährfahrt von Puerto Montt nach Chaiten lief der Film, über den Siegeszug der Chilenen , Ende des 18, Anfang des 19-Jahrhunderts, auf Dauerschleife. Am nächsten Tag gönne ich mir 100 Gramm verschiedene Keksorten aus einer Schkolateria , ehe ich mir das original-erhaltene Kolonialhaus von Braun-Mendez anschaue. Die originalen Möbelstücke spiegeln die Blütezeit Anfang des 19-Jahrhunderts der Stadt wieder. Luxeriose Möbel aus Frankreich,  Australien,  England, der USA und Spanien mischen sich zu einem eigenen prunkvollen Stil. Am besten gefällt mir der Salon, das Spiele Zimmer,  ausgestattet mit Pokertisch, einer Bar, einem Schalplattenspieler , Billiardtisch und einem Glucksspielautomat , das Ganze natürlich umrahmt von gemütlichen Sitzmoglichkeiten.
 Abends treffe ich die Deutschen Studentinen aus Torres del Paine, in meinem Hostel wieder, die jetzt auch die grandiosen Tres Torres gesehen haben , allerdings schon abends nach Ushuwaia weiterreisen. Sie raten mir den Friedhof anzuschauen und so trete ich am nächsten Vormittag, bei blauem Himmel, durch das verzierte Eingangstor des Stadtfriedhofes. Der mächtige Steinbogen,  lässt noch, bevor die häuserartigen Grabmale in Sichtweite kommen, eine ehrerbietige Stimmung  aufkommen. Die an Reichtum gelangten Wollhändler,  darunter auffallend viele Jugoslawisch-kroatische Immigranten,  haben sich hier in verschnörkelten Steinhäusern begraben lassen.

 Während ich durch die hohen Hecken des großen Friedhofes laufe, vorbei an den stillen Gräbern kommt eine geheimnisvolle Stimmung auf, fast unheimlich. Die prunkvollen Grabmale wirken gar nicht überzogen, wie man meinen könnte, sondern betonen diese unheimliche Atmosphäre nochmal. Nach ungefähr einer Stunde habe ich dann aber auch genug vom Friedhof und schlendere hinunter zur Küste,  wo ich die Costanera entlang laufe. Hunderte Möwen beobachten von den Stegen aus, wie ich das tiefe dunkelblaue Meer betrachte und dem Rauschen der anbrandenden Wellen , unter den schwachen Sonnenstrahlen lausche.

  Frühzeitig kehre ich in meine Hospedaje zurück,  wo ich ein paar Hot Dogs für die morgige über 12 stündige Tour nach Feuerland zu den Königspinguinen,  vorbereite. Während meinen Vorbereitungen treffe ich noch zwei Japaner,  die schon in Villa O Higgins die selbe Fähre hinüber nach Argentinien genommen haben.
"Ja stimmt das war die Fähre,die beinahe wegen zu wenig Anmeldungen nicht gestartet wäre. " meine Ich.
" Genau" stimmt sie mir zu.
"Eure Muscheln sehen gut aus, nicht so wie meine Hot Dogs" behaupte ich lachend in der stickigen Küche.
"Ja, aber du bist ein starker Kerl " sagt sie , was ich erst nicht ganz verstehe. Ich glaube sie meint für mein alter besonders Reif, was mich kurzzeitig in Verlegnheit bringt, ehe ich mir schnell wieder klarmache, dass es keine allzu grose Kunst ist, alleine zu reisen. Mir fällt wieder auf, das es sehr speziell ist , mit Asiaten zu reden, denn die Kultur scheint doch sehr unterschiedlich zu sein. Meistens reden sie wenig und wenn, dann leise und ein anderes Mal treffen sie wieder solche klaren, direkten Aussagen . Kurios.
"Es geht, Hot Dogs zu machen ist jetzt keine Kunst" sage ich und frage woran sie erkennt wann die Muscheln gut sind.
"Ah wenn sie auf gehen " bestätigt sie mein Verdacht.
Die Japanerin reist wie die Chinesin für 12 Monate um die Welt.
"Aber schon nach Südamerika ist das meiste Geld weg" erklärt sie lachend.
Gemeinsam essen wir zu Abend. Die Japaner, schön angerichtete Pasta mit Meeresfrüchten,  sowie Medium gebratenes Steak und ich, einen einfachen Hot Dog. Doch nicht so früh wie geplant gehe ich schlafen.  Die Tour nach Tierra del Fuego wartet auf mich.

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