Freitag, 13. März 2015

20.00 km2 Eis und faszinierende Reisegeschichten

Hohe , raue, betonende Stimmen,  helles Lachen , laute Ausrufe und fesselnde Geschichten füllen eden vollgestopften , stickigen Aufenthaltsraum,  der Budgetunterkunft. Die unterschiedlichsten Sprachen vermischen sich zu einem unverständlichen Netz voller Wörter. Ich belege ebenfalls einen der schmalen Plätze des Holztisches und lausche den verschiedenen Gesprächen. Nachdem anstrengenden Trip über die Grenze, legte ich einen Tag Pause ein, bevor ich zu der bekannten Gletscher-Lagune "Los Tres" aufbrechen wollte. Am nächsten Tag begrüßt mich jedoch, ein wolkenbehangener, grauer Himmel und Regen prasselt, auf das an machen Stellen undichte Dach des Hostels. Obwohl die Unterkunft zu den billigeren hier gehört ist sie teuer, weshalb ich beschließe ohne etwas, von der umgebenden Natur gesehen zu haben , die rein turistsich orientierte Stadt, hinter mir zu lassen.  Ich verlege mein Busticket also auf den heutigen Tag vor, sodass ich jetzt hier sitze und wie alle anderen die Zeit totschlage. Eine Deutsche , die vor zwei Jahren das Abitur gemacht hat, erzählt mir, dass sie nach den geplanten 6 Monaten reisen, zurück in Deutschland, kein Bock auf Studium oder Arbeit hatte und deshalb mit leeren Taschen zurück nach Südamerika geflogen ist, wo sie seit insgesamt 11 Monaten sich mit Volunteerarbeiten und Minijobs über Wasser hält und dabei immer wieder neue Orte bereist. So ein bisschen wie eine wandernde Nomadin. Solche Geschichten sind faszinierend und spannend zuzuhören.  Am gleichen Tag in El Calafate, mittlerweile hat der überteuerte Bus sein Ziel erreicht, treffe ich eine Türkin,  die mit einer von der Straße aufgelesen Katze, schon 5 Kontinente bereist hat - auch wieder eine beeindruckende Lebensgeschichte. Wie kommen die Leute auf so eine Idee?  Fest steht, dass jeder dieser Reisenden durch und durch glücklich zu sein scheint. Genauso wie das Ehepaar aus Hamburg,  das zwei ordentliche Jobs gekündigt hat und nun, seit über ein und halb Jahren, die Welt bereist, sind sie alle zufrieden mit dem Leben und strahlen förmlich eine positive, entspannte Atmosphäre aus. Ich glaube es gehört sehr viel Mut dazu, diese besondere Art das Leben auszufüllen, zu beginnen. Allerdings kennen wir natürlich nicht die Beweggründe warum diese Menschen aus dem System, in das sie hineingeborenen wurden ausgebrochen sind. Jedenfalls gefällt mir El Calafate besser als El Chalten, denn es ist zwar auch turistisch, wahrt aber einen eigenen Fler. Trotzdem gehe früh schlafen,  da am nächsten Tag meine Ice-trekking-Tour um 06:45 startet, was jedoch nichts bringt, da in dem Schlafsaal so laut geschnarcht wird, dass ich mich geradezu nach dem Schnarchen meines Vaters zurücksehne. Denn das ist bei weitem nicht so schlimm wie dieses hier!  Überraschenderweise überhaupt nicht so müde stehe ich um halb 5 Uhr morgens auf und genieße das Frühstücksbuffet,  auch wenn es nur eine Sorte Marmelade und Caramelcreme als Brotbelag zur Auswahl gibt, bieten sie immerhin warme Milch , Kakao,  Café, frisches Weißbrot  ( hier gibt es nur! Weißbrot ) und warme sehr leckere Brownies ,an. Für südamerikanische Verhältnisse ein bombastisches Frühstück.   Viel zu schnell muss ich den Frühstückstisch verlassen und hinaus in den noch dunklen Morgen treten. Schnell finde ich die Touranbieter und wir fahren zu 30-40 los, Richtung Porito Moreno - dem Gletscher Argentiniens schlechthin. Übrigens einer der wenigen der nicht abnimmt, sondern in Balance mit dem schmelzenden und wachsenden Gletscherabschnitt ist.
 Am gewaltigen Gletscher des südlichen Eisfeldes Südamerikas angekommen, werden wir in drei Gruppen eingeteilt und ein englischsprachiger Guide liefert uns erstmal ein paar interessante Informationen über den Gletscher. Genaue Daten konnte ich mir leider nicht merken, deshalb hab ich gegoogelt .  Jedenfalls ist der Gletscher nur einer von vielen und nur ein minimaler Teil des patagonischen Eisfeldes,  das mit 20.000km2 ca. 60% des gesamten Festlandeises der Welt ausmacht! Auch erwähnenswert ist, das das Eisfeld Südamerikas mit 20.000Jahren  sehr "jung" ist und nicht aufgrund der Höhe , sonder aufgrund des starken Nebels und der somit geringen Sonneneinstrahlung entstanden ist. Das sind zwei große Unterschiede, zum Beispiel gegenüber den Alpen. Dort sind die Eismassen viel älter und in höheren Gebieten vorhanden. Aber genug laienhafte Information.
 Am Rande des Gletschers warten, mit Spikes besetze Schuhe auf uns, sowie spezielle Handschuhe. Sorgsam befestigen die Guides unsere Schuhe, bevor die Regeln des Eiswanderns eindringlich erklärt werden und es endlich los gehen kann.
 Vorsichtig setzte ich den ersten Schritt auf das Eis. Es ist verdammt fest! Ich trete kraftvoller auf, um die Spikes tiefer in das Eis zu graben. Langsam gewinne ich an Sicherheit,  auch weil es bergauf geht, das ist einfacher als abwärts. Der Guide führt uns immer tiefer in das Eisfeld hinein, vorbei an Meter tiefen Spalten und versteckten Eisloechern,  die bis unter den Meeresspiegel reichen,  da der Gletscher natürlich auch unter Wasser Eismassen besitzt. Sogar viel mehr als über Wasser. Nach einer Weile umgibt mich das mannshohe, wellige Eis. Weit und breit sehe ich nur weißes,  hellblaues, teilweise graues, gefrorenes Wasser. Wie fühlt man sich mitten in Jahrtausende Jahre altem Eis, das sogar noch "jung" ist? Zum einen fühlt man sich klein und unbedeutend und einem wird deutlich wie gering die Lebensspanne eines Menschen ist .Zum anderen muss ich daran denken, dass wir vielleicht manchmal glauben wir wären, mit unserer weltweiten Zivilisation, der Mittelpunkt der Erde - "Die" Spezies schlechthin. Nein die Natur wird uns immer überschatten und ganz klar auch überleben.  Nicht die Natur ist von uns abhängig,  wir von der Natur. Mir kommt auch der Gedanke,  dass ich gerade auf dem Stoff laufe, der Leben überhaupt erst ermöglicht -Wasser bzw.Süßwasser und davon zigtausende von Liter! Sofort fühlt sich der Gletscher noch gewaltiger und bedeutender an. Man kann das Gefühl nicht beschreiben solchen Naturgewalten, so nahe zu sein. Das knacken des Gletschers zu hören, das klare, minerallose Wasser zu schmecken ,den kalten Stoff zu greifen und den formenden Wind zu spüren. Nach einer Stunde geht es wieder abwärts. Kalte , klare Luft umgibt mich, während das Eis unter meinen Füßen knirscht. Beim absteigen sollte man langsam,  in einer knienden Haltung, ( im Prinzip wie auf französischen Klos ) , die Spikes parallel und fest in das Eis rammen. Obwohl das eine Minitrekking Tour ist, gestaltet es sich, nicht allzu leicht, bergab zurück zur "Base" zu klettern. Der Mann vor mir wird leichtsinnig und verlässt den vorgegebenen Pfad, sodass er plötzlich ausrutscht und nur geradeso, einen harten Sturz auf den Rücken, verhindern kann.  Ich frage mich, ob wie in Hollywood plötzlich Eisspalten auftauchen können?  Schritt für Schritt nähern wir uns dem Basislager,  wo es Whisky mit Gletscher -Eis gibt,  sowie typische Argentinische Gelatas und mir die Angst vor den Hollywood-Spalten genommen wird. Diese gibt es nur in dem wachsenden Teil des Gletschers,  man kann also ganz klar voraussagen, in welchen Bereichen man sicher wander kann, und wo nicht. Wenn ich die Metergrosen Eisbrocken sehe , wie sie ins Wassersturzen, bin ich mir trotzdem sicher,  daß Verhalten eines Gletschers ist nicht wirklich vorherzusagen. Nach einer viel zu kurzen Stunde ist das Abenteuer Eistrekking beendet und ich nehme mir vor, irgendwann einmal, richtig mit Pike und Seil ausgerüstet, eine größere Eiswanderung zu unternehmen.
 Am nächsten Tag heißt es jedenfalls nach einem genüsslichen Frühstück, mal wieder - Trampen. Von El Calafate nach Puerto Natales sind es ca. 300 km und der Bus kostet 50 Euro,  was ich nicht einsehe. Deshalb stelle ich mich um 11 Uhr an den Straßenrand am Ortsausgang.  Vor mir wartet bereits ein freundlicher Brasilianer.
 "Du trampst auch nach Puerto Natales? Wie läuft's so?" frage ich.
"Zwei Autos haben angehalten , wollten aber nach El Chalten, ich glaube es wird ein schwerer Tag heute zum trampen."
Die Antwort gefällt mir nicht so, trotzdem stelle ich mich gut gelaunt in die warme Sonne und strecke mein Daumen den Autos entgegen. Manchmal strecken die Fahrer, wenn sie mich sehen ebenfalls den Daumen richtung Straßenrand. Haha witzig. Nach einer Stunde Daumen heben, nichts.  Ich hole mein belegtes Brötchen raus. Nach 2 Stunden, nichts. Ich trinke ein Schluck.  Nach 3 Stunden, nichts. Nach 4 Stunden beschließen wir, ich verstehe mich mittlerweile mit dem Brasilianer sehr gut, eine andere Stelle am Straßenrand zum Hitchhaken zu suchen. Etwas weiter Richtung Ruta 90 scheinen wir aber auch kein Glück zu haben, bis plötzlich ein leerer Bus neben uns anhält.  Der Fahrer steigt aus, schaut sich sorgfältig um und winkt uns zu sich heran. Ich bin froh das der Brasilianer,  namens John, spanisch versteht,  sodass er mir übersetzen kann was der Busfahrer eindringlich, uns zu flüstert. Er bietet uns an für nichtmal die Hälfte des regulären Preises mitzufahren, wir müssten uns nur, bis der Bus die Stadt verlassen hat, verstecken und die Grenze außerhalb des Buses überqueren,  danach würde er uns wieder einsammeln. Ich bespreche mich kurz mit John, denn ganz legal scheint das nicht zu sein und wir beschließen in den Bus einzusteigen, jedoch erst in Puerto Natales zu bezahlen. Ein ganzer Bus für uns allein und das für den halben Preis, wir klopfen uns gegenseitig auf die Schultern. Anfangs, muss ich zugeben bin ich leicht nervös,  denn diese Art von Transport ist definitiv illegal,  allerdings reisen wir ganz normal mit Grenzstempel in Chile ein , sodass ich mir sicher bin , dass das einzige illegale das "schwarz -Geld" des Busfahrers ist - und das ist ausnahmsweise ok ;).   John und ich lernen uns auf der Fahrt besser kennen und wir stellen fest , daß wir beide das "O", also die große Runde im Nationalpark Torres del Paine bewältigen wollen.
 "Das ganze O , die große Tour?"
" Ich weiß zwar nicht ob das eine gute Idee ist, aber ja ich habe das auch vor" erkläre ich.
 Da keiner von uns ganz alleine das berühmte patagonische Wetter bezwingen möchte und wir uns gut verstehen, entscheiden wir gemeinsam, den Nationalpark schlecht hin in Südamerika, zu bezwingen. Abends kommen wir in Puerto Natales an, buchen ein preiswertes,  sauberes Hostel, sowie die Busverbindung hin und zurück zum Park und decken uns für eine Woche, in der Wildnis, ein. Das 162 km lange Outdoor-Erlebnis Torres del Paine, übersetzt Türme der Klagen, kann beginnen.  

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