Halb 7 Uhr morgens, dunkelblauer Himmel, dampfender Atem und eine langsam, auf den Horizont kriechende Sonne. Die Türe hinter mir schließt sich, ab jetzt gibt es kein zurück mehr. Vorbei an der letzten Zivilisation, fährt der Bus die wenigen Kilometer bis ans tatsächliche Ende der Caretera Austral, von wo auch dieser nicht mehr weiter kann. Mit der Fähre beginnt nun der abenteuerliche Grenzübertritt. Einmal um die nördlichen Eisfelder bis nach Argentinien, mit 15 Kilo auf dem Rücken, alleine, vorbei an chilenischen und argentinischen Grenzkontrollen und ungefahr 40 km Passstrase wartet auf mich. Das private Schiff, staatliche Infrastruktur gibt es hier nicht, legt ab und bahnt sich zielstrebig einen Weg durch die Wassermassen. Anfangs genieße ich noch vom Deck aus das turkisfarbene Wasser und die umgebenden Berge, bis plötzlich die Wellen uns überraschen und bis auf das Deck fegen und gegen die Fenster des geschützten Innenraumes klatschen. Der Capitan brüllt immer wieder den gleichen spanischen Satz, es scheint jedoch nicht ernst gemeint zun sein, obwohl mir persönlich die ganz schön Rau gewordene See, nicht mehr so zum Scherzen ist. Das Schiff schaukelt stark von Seite zu Seite, von vorne nach hinten und ich bin froh nach 2h Schifffahrt wider Land unter den Füßen zu haben.
Der erste Teil ging schon mal gut los. Zu zweit mache ich mich mit einem Santiagino, auf den weiten Weg nach Argentinien. Mit dem 15 Kilo schweren Rucksack beginne ich die steinige Schotterpiste, zu bezwingen. Bald schon erreichen wir die Chilenische Grenzstation, wo uns eine, auf halbmast wehende, chilenische Flagge begrüßt - kein gutes Zeichen. Etwas nervös betreten wir den Grenzposten. Ganz in dunkelgrün gekleidete, streng, aber nicht unfreundlich blickende Grenzsoldaten empfangen uns. Der Santiagino, mittleren Alters, geht vor und begrüßt die Beamten auf Spanisch. Während die beiden sich unterhalten verdüstert sich die Miene des Chilenen zusehends und ich mache mir ernsthaft Sorgen. Etwas, scheint nicht zu stimmen. Nervös frage ich den Chilenen auf Englisch was Sache ist und sogleich erklärt er mir, dass er erst in 2h, nach einer speziellen Identitatskontrolle, einreisen darf. Wenn ein chilenischer Staatsbürger schon 2h warten muss, wie lange dann jemand aus einem anderen Kontinent? Und hat das ganze vielleicht etwas mit der nur auf Halbmast gehissten Fahne zu tun? Entgegen allen Erwartungen ist es jedoch wie am Flughafen, sobald ich erwähne dass ich aus Deutschland komme, lassen sie mich ohne weiteres passieren. Keine unangenehme Fragen, keine Identitatskontrolle, kein Gepäckcheck. Ich frage noch wieso die Flagge nur auf Halbmast weht - das interessiert mich jetzt doch zu sehr und erfahre, dass ein Soldat an der peruanischen Grenze erschossen wurde. Mit der Hoffnung, dass die Argentinische Grenze nicht so instabil ist, mache ich mich auf den Weg. Los geht der Marsch. Vorbei an der Kaserne führt eine Schotterstrase, die jedoch nicht befahren zu sein scheint, bergauf. Zwischen kahlen Felsen führt die Straße serpentineenartig aufwärts, und ich muss an die Sniper-Filme denken. Da lauern die Schützen auch in Grenzgebieten oben auf den Hügeln mit guter Sicht auf die offenen, weiten Flächen. Ich glaube ich habe zu viele Filme geschaut. Übrigens etwas das man auf Reisen ganz gut lernt, ohne Film und Fernseh auszukommen. Auf jedenfall sollte ich dieser Straße 16 km lange folgen. Ich fühle mich fit, die Sonne scheint und es weht ein angenehmer Wind. Dementsprechend motiviert lege ich die ersten Kilometer zurück. Allerdings, schmerzt meine Schulter schon nach einer halben Stunde, weshalb ich beschließe lieber meherere kurze Pausen, statt einer großen einzulegen. Ich erinnere nochmal: 15 kilo , tendenziell eher mehr. Die Mehrstoppstrategie zahlt sich allerdings aus. Nach jeder kleinen Rast bin ich erstmal wieder motiviert und mein Koerper dankt es mir mit neuer Energie. Trotzdem wird mein Nacken immer steifer und die Schultern beginen auch zunehmends in kürzeren Abständen sich zu beschweren. Der Schweiß läuft mir über den Rücken und vermischt sich im Gesicht mit der Sonnencreme. Ich funktioniere mein Buff Halstuch, zu einem Kopftuch um, sodass ich vor der Sonne geschützt bin,trotzdem schmeiße ich ungefähr alle halbe Stunde den Rucksack auf den Boden und trinke ein Schluck Wasser, wenigstens genügend Wasserquellen gibt es in Patagonien, sodass ich nicht rationieren muss. Nach jeder Pause fängt mein Rücken früher wieder an zu schmerzen , weshalb ich nach den ersten 2h, mein Walkman starte und Countrysongs laufen lasse um mich etwas abzulenken. Nach einer gewissen Zeit gewöhne ich mich an das wandern und dem Gewicht auf dem Rücken. Mit der Zeit lernt man auch den Druck auf den Schultern zu ignorieren. Mal läuft es sich leichter, mal kämpfe ich mental gegen Drang den Rucksack abzuwerfen, während ich die ruhige verlassene Passstrase entlangmarschiere, wo auch, keine Heckenschutzen wie in den Filmen, und auch sonst gerade einmal 4 Personen meinen Weg kreuzen. Nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke verläuft die Straße plötzlich mitten durch die Landebahn eines Flugplatzes, bevor diese sich dann in zwei verschiedene Richtungen aufteilt. Hilfe ! Woher soll ich Bitte schön wissen wo lang es jetzt geht? Weit und breit ist kein Schild oder Wegmarkierung, Fusspuren oder irgend andere Hinweise zu erkennen. Ich atme tief durch. Jeder Meter extra sind mit 15 Kilo auf dem Rücken gefühlt ein paar Kilometer und ich möchte gerne noch vor Sonnenuntergang am Campingplatz ankommen. Zum Glück habe ich in Caleta Tortel eine detaiierte Wanderkarte von zwei Deutschen geschenkt bekommen, an der ich mich orientiere. Und tatsächlich, schon bald überquere ich die in der Map eingezeichnete Brücke. Ich habe mich für den richtigen Abzweig entschieden. Stolz marschiere ich motiviert weiter. Nach 5 h entdecke ich das Argentinische Grenzschild.
Mit breiter Brust und hochzufrieden schieße ich ein Selfie, genieße kurz meinen Triumph, bevor ich mich ermahne. Jetzt bin ich vielleicht in Argentinien, aber die nächste Zivilisation ist noch mehrere Kilometer weit weg. Es heißt also noch ein bisschen durchhalten. Die Schotterstraße weicht jetzt jedoch einem schmalen, Pfad, der zwar über Stock und Stein führt, dafür aber auch durch einen schönen, schattigen Wald. Um 17:00 Uhr erreiche ich schließlich den argentinischen Grenzposten, wo ich hoffentlich auch einreisen darf, sonst müsste ich das gesamte Stück zurücklaufen. Der Grezbeamte ist zwar sehr unfreundlich, er schnauzt mich an, dass ich durch die offene Tür eintrete, obwohl ich mehrmals angeklopft hatte, ohne eine Reaktion, jedoch komme ich, als deutscher Staatsbürger, wieder einmal, ohne Probleme in ein weiteres Land. Der Grenzposten liegt einsam am Nordufer des Lago del Desierto, ein wunderbarer azurblauer See, an dessen Südufer das bekannte Fitz Roy Massive liegt. Ich schlage mein Zelt auf, bevor ich mich, geschafft vom anstrengenden Tag, ans Seeufer lege und die letzten Sonnenstrahlen des Tages genieße. Abends treffe ich noch ein Paar aus Freiburg, die gerade aus Argentinien kommen, an dieser Stelle, grüße an Hildegard. Man sieht, die Welt ist klein, obwohl man auch sagen könnte die Menschen einfach überall, vor allem die Deutschen, selbst in wildester Natur. Am nächsten Morgen stehe ich mit dem Sonnenaufgang auf und mache mich zügig auf den Weg, den letzten Abschnitt bis El Chalten, hinter mir zu lassen. Der wenig begangene Wanderweg, die meisten nehmen die Fähre oder kommen erst gar nicht auf die Idee eine solche Tour zu unternehmen, führt einmal an der Ostseite des Sees entlang, bis zum Südufer, immer mit Blick auf den gezackten, an den Kölner Dom erinnernden Fitz Roy. Laut Karte einfach zu finden. Laut Karte! Die ersten Meter laufe ich am Ufer entlang, bis dort kein weiterkommen mehr möglich ist. Erstaunt schaue ich mich um, habe ich doch kein Abzweig in den Wald entdeckt. Kurz darauf erkenne ich, fast verwischte Fusspuren und folge diesen in den Wald hinein. Schatten umgibt mich , die Geräusche des Waldes und das rauschen von Flüssen dringen an mein Ohr, während ich konzentriert den Pfad zu erkennen versuche.
Mit der Zeit wird der Pfad ausgetretener, verläuft jedoch immer noch durch dichtes Gewächs, über reisende Flüsse und abgeknickte Bäume oder kantige Felsen. Trotzdem genieße ich die mich umgebende Natur und danke dem guten Service vom McTrek, die mir zu diesen tollen Schuhen geraten haben. Trotz der Schuhe und des schattenspendenden Waldes läuft mir bald der Schweiß über die Stirn und meine Schulter ächzt noch stärker als Gestern, sodass ich wieder regelmäßig Pausen einlege. Sogar mein Becken beschwert sich langsam, auf dem ja auch ein Teil des Gewichtes lastet! Jedenfalls trinke ich wieder viel, komme, motiviert von der Natur und abgelenkt vom schwer zu folgenden Pfad ganz gut voran. Ich balanciere über reisende Flüsse , oder über glatte Steine, springe über feuchtes einem Moor ähnelden Gebiet, oder klettere über Felsen, von denen ich oftmals einen grandiosen Blick über den See auf das Fitz Roy Gebirge habe. Leider muss man diese Felsen auch wieder hinab, was eine heikle Angelegenheit ist. Vorsichtig arbeite ich mich Stück für Stück den Abenteuerpfad vor, bis ich sogar den eine Stunde vor mir gestarteten Chilenen einhole. Wir gehen gemeinsam weiter, was keine gute Idee ist: Abgelenkt vom Reden, verlieren wir nach ein paar Metern den Pfad und landen in dichtem Waldgebiet wieder. Immerhin gibt es hier keine Pumas, dafür allerdings die schwarze Witwe, eine Giftspinne, weshalb ich meine Kleider und das Zelt vor dem Gebrauch gut ausschüttele. Auf jeden Fall haben wir uns verlaufen. Ich erkenne zwar immer wieder leicht abgetretenes Gras, bin mir jedoch sicher das dies nicht der Wanderweg ist. Ich behalte leider Recht, da uns plötzlich ein reisender Fluss oder man könnte auch sagen, Wasserfall, den Weg abschneidet. Das ist zwar nicht der erste den Weg kreuzenden Fluss, jedoch sind hier keine menschliche Bemühungen diesen zu überqueren zu erkennen. Im Stile eines Pionieres überqueren wir diesen. Der Chilene braucht jetzt jedoch schon wieder eine Pause und bietet mir an vor zu laufen, weshalb ich ihn zurücklasse und weitermarschiere. Diesmal schlage ich mich quer Feld ein Richtung See und tatsächlich finde ich, nach nicht mal hundert Metern, wieder zurück auf den Wanderpfad. Ab jetzt noch konzentrierter, laufe ich die letzten Kilometer durch schattige Wälder, immer wieder mit Blick auf den sonnenbeschienen See und die schneebedeckten Berge daneben, bis ich ausgepowert, aber stolz, nach 12 Stunden wandern und einer Nacht im Zelt, am nördliche Ufer des Lago del Desierto ankomme. Nach einem guten Steak mit pikanter Argentinischer Soße, kaufe ich mir frühzeitig das Busticket nach El Chalten. Ich habe riesen Glück, denn kurz nach mir, kommt eine große Reisegruppe zum Busfahrer und besetzt alle Plätze! Von den anderen beiden Grenzwanderern sehe ich nur noch wie sie müde am Straßenrand Hitchhaken müssen. Glück gehabt. Gegen 20:00 Uhr miete ich mir dann ein Bett in der von Turisten und dementsprechend von Hostels, Restaurants und Touranbietern übersäten, jungen Kleinstadt. Der 2013 veröffentlichen Reiseführer empfiehlt noch schnellstmöglich nach El Chalten zu reisen, bevor der Turistenboom zuschlägt. Anscheinend bin ich zwei Jahre zu spät, denn die Preise haben sich verdrei bis vierfacht und ich treffe keinen einzigen Argentinier. Trotzdem bin ich froh nachdem langen sonnigen Grenztripp die Argentinische Stadt erreicht zu haben.
5 Monate durch Chile reisen. Gletscher, Königspinguine, Wüste, Geysire, Vulkane, indigene Kulturen und vieles mehr, hält das längste Land der Welt geheim. Von Feuerland über Patagonien zur Atacama-Wüste bis hoch ins Andenaltiplano, 4.300km und über 39 Breitengrade von Süd nach Nord. Ein Land das fasziniert und noch viel unentdecktes bereithält. Seid Ihr mutig genug es zu erkunden? Die Geheimnisse von Bolivien und Peru gibt es hier: Der Link: travelandexploreboliviaperu.blogspot.com
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