Samstag, 28. März 2015

6. und 7. Tag in Torres del Paine, die letzten Tage sind auch die spektakulärsten.

6.Tag Camping Paine Grande - Camping Hostel Los Torres 36 km
Es regnet wirklich nur wenig in dieser Nacht und trotzdem bin ich am nächsten Tag müde. Ich spüre wirklich die hinter mir liegenden Kilometer und kalten Nächte. Meine Füße haben jetzt doch einige wunde Stellen aufzuweisen und meine Muskeln beschweren sich, jedes Mal nachdem aufstehen stärker , über das zu enge Zelt. Von der täglichen Laßt auf den Schultern ganz zu schweigen. Der Himmel ist bewölkt aber noch regnet es nicht, weshalb ich mich schon früh auf den Weg mache. Nachdem ich festgestellt habe, dass mein Regenbeutel des Schlafsackes verschwunden ist, tut mir Leid Tina, und das Geschirr,  welches ich zum einweichen draußen stehen gelassen habe auch weg ist, beginne ich betrübt an zu wandern. Heute könnte ich 12   flache Kilometer bis zum Campemento Italiano laufen oder gleich weiter bis zum Camping Hostel Los Torres, dies wären aber über 30 Kilometer. Ich beschließe wetterabhanging den Campingplatz auszusuchen. Der Pfad führt mich in einen Wald hinein und verwandelt sich dort in einen Bach , und ich muss an John, den Brasilianer   denken , der nur mit Turnschuhen gestartet war. Teilweise verwandelt sich der Bach -Pfad in einen Fluss,weshalb ich mich, gezwungener Maßen, durch das Gelände neben dem Pfad kämpfe, bis plötzlich der Bach-Pfad  in einen großen reisenden Fluss mündet,  der Richtung See davonrauscht.  Überrascht blicke ich mich um. Der Himmel ist noch nicht ganz mit Wolken behangen und noch ist es, im Gegensatz zu den Steinen im Fluss vor mir, trocken. Verzweifelt suche ich eine Brücke oder etwas ähnliches, sehe allerdings weit und breit keine Hilfsmittel zur Flussüberquerung,  nur eine verrostete Leiter auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses,  die den Wanderweg markiert.
 Das Schild, "In Bearbeitung" hilft da auch nicht weiter. Ich zucke mit den Achseln, wünsche mir nun doch einen Wandergefährten,  falls ich abrutsche, und setze vorsichtig den ersten Schritt auf die nassen Steine.  Mit dem Gedanke: Wenn ich mir jetzt den Fuß verstauche....  springe ich von Stein zu Stein durch den reisenden Fluss bis zur Metallleiter. Diese extrem flache und unsicher wirkende Konstruktion ist mit dem Rucksack auf dem Rücken   fast nicht zu überwinden. Die erste Sprosse ist geschafft und ich setze den Fuß auf die zweite , als plötzlich der Rucksack auf die linke Seite rutscht und ich dort Übergewicht bekomme. Geradeso halte ich mich auf der Leiter und verfluche mich jetzt endgültig niemand gefragt zu haben, ob er mit mir wandern will.
"Reis dich zusammen verdammt! "
 Mit letzter Kraft und einem weiteren Mal linkseitigem Übergewicht,  erklimme ich die Leiter. Erstmal suche ich mir ein gemütliches Plätzchen zum rasten, bevor ich einem erdigen Pfad folge. Der Weg führt mich ab und auf durch den Wald, bis zum Campemento Italiano, wo ich erfahre, dass der Aussichtspunkt "Frances" wetterbedingt geschlossen ist. Ursprünglich wollte ich hier rasten und am nächsten Tag zum Aussichtspunkt und dann zurück bis zum nächsten Campingplatz wandern. Da dies nun nicht möglich ist, der Campingplatz Italiano auf sehr unebenen,  erdigen Untergrund liegt und das Wetter hier nicht so gut aussieht, laufe ich weiter Richtung Camping Hostel Los Torres. Bald erreiche ich den Waldrand und marschiere, nachdem ich einen weiteren, diesmal privaten Campingplatz passiert habe, über grünes noch leicht feuchtes Gras, Richtung Seeküste,  von wo der Weg wieder in bewaldetes Gelände führt. Am Kiesstrand setze ich mich auf einen Baumstumpf und genieße für den Moment, den blauen Himmel, über dem türkisfarbenen See mit seinen gelben Inseln, bevor ich weiter versuche dem guten Wetter zu folgen , was hier, bei den raschen Wetterumschwüngen, unmöglich ist.

 Ich wandere weiter durch bewaldetes Gebiet, bis ich vor zwei unheimlich schaukelnden Hängebrücken,  die für maximal zwei Personen geeignet sind, stehen bleibe. Ich hoffe das auch schwere Rucksäcke bedacht wurden, während ich vorsichtig, ohne nach unten zu blicken , über die schwankenden Brücken laufe. Trotz meiner Tendenz zu Höhenangst erreiche ich das andere Ufer, während hinter mir weiter das Wasser durch die breiten Schluchten rauscht.

  Wieder trägt mich der Wind von der Küste die Berge hinauf , während das Wetter zusehends schlechter wird und mir langsam die Kraft und die Moral schwindet. Seit halb 10 wandere ich jetzt schon und es sind, um 17 Uhr , geschätzt noch weitere 6 Kilometer. Immerhin kommt der Wind, auch wenn er den Regen mit sich bringt, von hinten und peitscht mir nicht ins Gesicht.  Ich spüre wie meine Kräfte langsam zur Neige gehen und ich bin sehr erleichtert, als ich endlich das Schild Camping Hostel Los Torres 2 km entdecke. Mittlerweile regnet es und ich komme durchnässt am Campingplatz an. Im Regen baue ich mein Zelt viel zu schräg auf und werfe mein Rucksack zwischen inneres und euseres Zelt. Mir ist klar das dieser total eingeweicht sein wird , wenn es weiter so stark regnet, aber es gibt weit und breit keine überdachte Stelle um diesen unterzustellen. An dieser Stelle muss ich zugeben fluche ich mehrmals,  werde nun doch hektisch statt konzentriert,  suche nach anderen Möglichkeiten und finde keine. Ich bin total nass, mein Zelt nach 10 min so voller Wasser, dass es herein tropft und der Rucksack, dass weiß ich, hält nicht mehr lange durch bis er ebenfalls auch innen nass ist. Ich beschließe im Hostel nachzufragen was ein Zimmer kostet,  verlasse die Rezeption jedoch, gleich nachdem ich das Preisschild gesehen habe. 50.000 Pesos, ca 80 Euro die Nacht! Sauer auf das Wetter und einfach kraftlos frage ich unfreundlich den Campingbesitzer, ob er nicht wasserdichte, fertig-aufgebaute Zelte vermietet, was er tatsächlich tut. Für 20 Euro die Nacht, miete ich mir letzten Endes Eines und transportiere schnell, den nassen Rucksack, aus meinem aquatiesierten Zelt, in das neue, geräumige und trockene Profizelt.  Ich esse die letzten, nicht vollkommen zerbröselten Toastscheiben mit Käse,  während draußen der Regen aufhört. Hätte ich eine Stunde länger mit dem Zeltaufbauen gewartet, hätte ich mir die Kosten für das geliehen Zelt sparen können,  aber ich war in dem Moment  einfach kurzzeitig mit den Nerven am Ende. Jetzt sieht die Welt schon anders aus. Das Wetter scheint sich zu bessern, das Zelt bietet Platz um sich nachts sogar drehen zu können und morgen kann ich dann gemütlich den letzten und spektakulärsten Abschnitt zu den drei Torres, mit vielleicht sogar gutem Wetter, bestaunen. Und dann freue ich mich auch schon etwas auf die Zivilisation. Ein Bett. Eine warme Dusche.  Platz zum Essen, und nicht nur trockenes Toastbrot und geschmacklose Pasta. Mit diesem zum Schluss doch positiven Gedanken falle ich zum ersten Mal seit 6 Nächten reibungslos in einen tiefen Schlaf.

7.Tag Los Torres - Puerto Natales 20 km
Besser als in jeder Nacht zuvor, trotzdem nicht ganz ohne Unterbrechungen wache ich mit dem Sonnenaufgang auf. 8:00 Uhr. Ich lege mich wieder hin und schließe nochmal  die Augen, bevor ich den letzten Tagesmarsch hoch zu den berühmten Los Torres und wieder pünktlich zur Busabfahrt nach Puerto Natales zurück, angehe. Als ich das Zelt verlasse, begrüßt mich ein teils bewölkt,  teils blauer Himmel mit Aussicht auf Sonnenschein. Vielleicht habe Ich zum Abschluss   ja Glück und das Wetter gewährt mir einen Blick auf die famosen Granittürme. Gemütlich esse ich die letzten Toastkrümel und fettigen Käsereste und baue mein Zelt ab. Ich stülpe mein Innenzelt um und ein ganzer Teich voll Regenwasser ergießt sich auf den Boden, was mich endgültig davon überzeugt, dass die Entscheidung ein Zelt zu mieten, richtig war. Ich will mir nicht mal ausmalen wie meine Sachen nach der Nacht in meinem eigenen Zelt ausgesehen hätten. Nachdem ich mein Gepäck in einem Hostel zur Aufbewahrung abgegeben habe, laufe ich los und schließe mich die ersten Meter einer Wandergruppe an, die mein Pulver vermischtes Getränk, für Pisco Saur hält. Das wäre bestimmt lustig mit 1,5 Liter Pisco Saur zu wandern. Während ich über diese Idee nachdenke, unterhalte ich mich mit dem Guide der Gruppe, der mir tatsächlich Hoffnungen macht, die "Los Torres" zu sehen.
"Die letzten Tage war das unmöglich,  aber heute könnte ich mir vorstellen das wir Glück haben." sagt er zuversichtlich.
Ich lasse die teilweise doch sehr langsame Reisegruppe hinter mir, denn ich muss ja auch pünktlich zur Busverbindung zurück sein und wandere weiter bergauf. Es geht einen trockenen windigen Pfad hinauf , während das Wetter wirklich immer besser wird. Fröhlich pfeifend nähere ich mich Meter für Meter dem Highlight des Nationalparkes. Plötzlich höre ich jemanden meinen Namen rufen. Erst reagiere ich gar nicht, denn mich hat schon ewig niemand mehr gerufen, bis ich den Franzosen und den Australier von den ersten Tagen winkend mir entgegenlaufen sehe.
"Hey wie geht's? " fragen sie.
"Heute super! Das Wetter belohnt uns ja doch nochmal richtig." meine Ich fröhlich, und die beiden stimmen mir zu. Sie sind schon gestern bis zum Nahe, an den Los Torres gelegenem Campingplatz gewandert und haben heute morgen dann, den Sonnenaufgang über den Torres beobachtet.
"Aber die Wolken waren noch zu dicht, die Türme könnten wir nicht sehen. Du könntest Glück  haben."
"Ja mein Timing halt " sage ich und wir lachen, ehe wir uns eine gute Weiterreise wünschen.
"Vielleicht sieht man sich" meint der Australier noch und warum nicht.
 Der Weg führt in einen schattigen Wald, vorbei an einem überfüllten Restaurant und einem Campingplatz, bis zu einer kleinen Brücke,  wo ich kurz Raste. Die Sonne scheint mittlerweile durch die Äste der Bäume, unter die ich mich setze  und mir eins, zwei Kekse gönne, während ich dem rauschen des Baches lausche. Einen richtigen Gedanken kann ich nicht fassen, bin ich doch insgesamt müde von der letzten Woche , also wandere ich gleich weiter. Vielleicht kann ich mich ja vor der Busfahrt noch ein paar Minuten  gemütlich in die Sonne legen, das hätte echt was. Also laufe ich weiter den Berg hinauf, durch den angenehm schattigen Wald. Nach zwei ein halb Stunden erreiche ich den Campingplatz Los Torres, von wo die letzten Meter bis zum Mirador,  Aussichtspunkt, beginnen.  Der Pfad führt aus dem Wald hinaus und läuft jetzt steil bergauf. Ich laufe über Bäche,  springe auf hohe Steine und über tückische Wurzeln,  bis ich die Spitzen der Granitgiganten erspähe. Von weitem sehen sie schon imposant aus. Ich muss allerdings noch über ein Felsenmeer klettern,  während der Wind hier auf ca. 1000m Höhe an meiner Balance knabbert. Vor und hinter mir staut es sich, da anscheinend alle auf diesen Tag gewartet haben, um endlich die Sehenswürdigkeit des Parks zu bestaunen. Neben durchtrainierten Runnern,  reihen sich auch schnaufende, übergewichtige Tagesausflügler,  sowie schick gekleidete High-Budget-Reisende und ab und zu auch andere müde wirkende Rucksackcamper,  die wie ich am Ziel der Trekkingtour angekommen sind. Hier ist der Turistenboom zu spüren,  den der seit Jahren bekannte und infrastrukturell am besten ausgebaute Nationalpark Südamerikas hervorruft. Langsam windet sich die Menschenschlange den Weg hinauf zu den Los Torres. Dort angekommen spielt es keine Rolle mehr ob Camper oder Lxusreisender,  alle bleiben staunend mit offenen Mündern stehen. Die Natur nimmt alle in ihre magischen Fänge auf, während die Sonne die Wolken an den drei spitzen, gelb-orange leuchtenden Granittürmen vorbeischiebt und das Wasser im Krater der einst von Magma geformten Torres, hellgrün schimmern lässt.
 Es ist nicht nur eine fantastische Szenerie, sondern auch ein besonderer Moment, wenn man bedenkt,  dass Magma, Wind und Wetter die Jahrtausende alten, rein aus Granit bestehenden, drei Felsttürme geformt hat. Ich treffe einen begeisternden Bergsteiger aus Kanada,  mit dem ich mich kurz unterhalte.
"Ich hatte auch überlegt nach Kanada zu gehen , da soll die Natur auch so beeindruckend sein" sage ich.
"Ist sie auch definitiv,  aber es ist jedesmal wieder besonders in eine neue Berglandschaft einzutauchen. Ich trekke seit Jahren durch das Gebirge Amerikas und es ist jedesmal ein spezieller Moment wenn man den Gipfel erreicht hat." berichtet er begeistert.
Ich setze mich auf einen Felsen und beobachte das Panorama eine Weile, bis ich daran denke dass ich ja pünktlich zur Abfahrt meines Buses zurück sein muss und so verabschiede ich mich von dem Kanadier und beginne den Abstieg. Die ersten hundert Meter geht es sehr,steil abwärts und der steinige Pfad ist noch voller kleiner Bächlein, von den letzten Regenschauern. Vor mir laufen zwei junge Chileninen sehr respektvoll abwärts, aber überholen geht an dieser Stelle nicht und warum sollte ich auch? Die beiden sind echt hübsch. Die jungen Frauen vor mir straucheln mehrmals heftig und auch ich balanciere ein paar Mal geradeso mein Gleichgewicht aus, bevor wir den Camping Los Torres erreichen und ich die beiden überhole.  Die Menschenmassen verteilen sich , sodass ich ruhig durch den von der Sonne durchleuchteten Wald hinab wandere. Obwohl es schattig ist und ich genug zu trinken dabei habe, Wasser gibt es hier sowieso genug, bekomme ich allmählich leichtes Kopfweh, aber es wird nicht schlimmer,  sodass ich es bald ignoriere. Früh genug um noch ein kleines Schläfchen unter dem Blätterdach eines alten Baumes zu machen , komme ich im Tal an. Ich hole mein Rucksack ab , bevor ich mich tatsächlich unter eine schattenspendenden Alerce setze, meine nackten Füße ausstrecke und die Augen schließe,  während ich die letzten Tage zufrieden vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse. Kurz vor sechs Uhr abends mache ich mich dann auf zum Minikiosk,  wo die Shuttlebusse halten. Während ich mir ein Hot Dog gönne,  er schmeckt überragend,  was aber nicht an dem Hot Dog liegt, sondern an der Tatsache, dass ich seit 5 Tagen das gleiche esse, und seit vorgestern Abend, nur Toastkrumel und Kekse, gesellt sich eine Chinesin zu mir und wir beginnen eine interessante Unterhaltung auf Englisch.  Neben bei bemerkt ich lerne bisher mehr englisch als Spanisch. Während wir auf den, wie so oft in  Chile, zu spät kommenden Bus warten, erzählt sie mir von ihrer Weltreise.
"Das Ausreißen aus China ist nicht mehr so das Problem, wenn man genug Geld und Geduld hat und das Einreisen sowieso nicht mehr."
"Achso. Und wie fandest du Deutschland.  In Deutschland kommen Busse übrigens immer pünktlich. " behaupte ich
" Immer pünktlich,  ja dachte ich auch, aber ich wurde sehr enttäuscht. Die Deutschen waren voll unpünktlich! " entgegnet sie.
Vielleicht ist sie mit der deutschen Bahn gefahren. Ich habe immer noch Hunger und hole mir ein zweiten hot Dog und das Gesprächsthema schwenkt zu essen über.
"Käse vermissen? "fragt sie ironisch. " Ich kannte vorher kein Käse und er schmeckt fürchterlich,  auch der in Deutschland "
Das ist komisch das sie kein Käse kannte. Naja, wir reden noch über die Chinesische Küche, die weite, unberührte Natur Chiles und Chinas Landschaften,  sowie die dichte Bevölkerung in Deutschland, das in ihren Augen unmoderne Südamerika und den Verkehr in den Städten der Welt. Jedenfalls fährt ein klappriger Bus mit 4 Busfahreren in dem Fahrerhäusschen um halb acht, mitten durch einen Fluss, los, Richtung Zivilisation. Fast wäre der Bus in dem Fluss umgekippt, aber wenigstens die 4 Busfahrer haben ihren Spaß. Es ist schon dunkel, als wir einen Stopp an einem kleinen Café machen, wo ich mir torta de manilla als Abendessen gönne, eine Art Blatterteiglasagne nur statt Tomatensauce mit Karamelcreme gefüllt. Super lecker und gehaltvoll! Nach zehn Uhr  abends erreiche ich müde mein Hostel,  wo ich mich drei Mal hintereinander mit dem tollen Calvin Klein durchgel, dass ich von dir Oma geschenkt bekommen habe, dusche, bevor ich hundemüde in mein Bett falle. Die Dusche war die beste meines Lebens und das Bett ist federweich, das Zimmer so ruhig,  kein trommelnder Regen und ,da habe ich Glück, auch sonst ist niemand im Gemeinschaftszimmer der Schnarchen könnte.  Ich schlafe ein. In einem Bett!

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