Gemächlich rollt der Bus über die Brücke, während er sich in den stockenden Stadtverkehr einreiht, jedoch schon bald das moderne Busterminal erreicht. Es ist Nachmittag als Joshi und ich den Bus verlassen und mit unseren Rucksäcken, nach einer Hospedaje Ausschau haltend, das ausnahmsweise, saubere Terminal betreten. Gerade als wir uns ein Budget für die Unterkunft setzen, spricht uns eine einigermaßen hübsche Frau, freundlich an und unterbietet unsere Preisgrenze für eine Nacht, genau um 500 Pesos, sodass wir beschließen das Hostel zu nehmen, zu Mal Sie das Taxi dorthin auch noch für uns bezahlt. Die Frau redet wie ein Fluss, unaufhaltsam auf uns ein, sodass wir, selbst wenn wir gewollt hätten überhaupt nicht dazu gekommen wären, das Angebot abzulehnen. Wir nicken nur eifrig, während die etwas gekünstelt wirkende Frau uns spanische Wörter, die wir logischerweise nicht verstehen, entgegenschleudert. Im Nachhinein müssen wir sogar sagen, die Frau war nur solange freundlich und hübsch bis wir bezahlt hatten, was wir gleich am ersten Tag taten. Nach einer kurzen Taxifahrt, in der wir stumm den spanischen Wortschwall der Gasgeberin lauschen, betreten wir unser Zimmer, welches so klein ist, dass die Tür fast nicht aufgeht und wir unsere Rucksäcke stapeln müssen. Außerdem ist das Gemeinschaftsbad vollkommen in knallem Pink gehalten. Von den Fliesen, über die Duschvorhänge, bis zu den Handtüchern, alles in Pink. Die Frau hat Glück, dass wir nicht die Lust auf eine Hostelsuche haben und wir nicht den Mumm haben nun doch noch abzulehnen. Nach einer "pinken" Dusche, am nächsten Morgen, verbringen wir den Vormittag mit Ausschlafen und Bundesligaradio hören, bevor wir ohne Stadtkarte, Adresse und Reiseführer hinaus auf die Gassen Valdivias treten, was ein fataler Fehler sein sollte. Gelassen schlendern wir durch die nachmittäglichen Straßen, vorbei, an vor allem großen, heruntergekommenen Häusern, bis zur Costanera, welche die Küstenstrase entlang des Rio Valdivia, der einmal um die Stadt fließt, entlangläuft. Während wir dem Lauf des Flusses folgen, taucht vor uns der berühmte Mercado Fluvial auf, unter dessen Dächer jegliche Sorten frischen Fisches, Meeresfrüchte, Gemüse und Obst angepriesen werden, immer mit dem langsam dahinfliesenden Fluss als Kulisse. Angeblich soll hier auch das Paradies für Seelöwen sein, welche sich hier in Scharen aufhalten sollen. Mit suchendem Blick schlendern wir wieder aus dem Markt hinaus, als wir die Seelöwen plötzlich entdecken. Mitten auf dem Weg liegen zwei gewaltige Kolosse, die den Anleger, hinein in den Fluss, in Beschlag nehmen.
"Joshi mach mal ein Foto von mir mit den Seelöwen" sage ich,und schon laufe ich leichtsinnig auf die beiden scheinbar schlafenden, hunderte Kilo schweren Tiere zu.
"Vielleicht kann ich mich neben sie stellen, dass gebe ein tolles Foto", denke ich, fälschlicherweise.
Zielstrebig nähere ich mich den beiden, den Anleger bewachenden Seelöwen bis auf zwei Schritt, als diese plötzlich die Augen aufschlagen, das Maul aufreisen und einen Satz nach vorne machen, während sie böse schnaufen. Erschrocken und gerade rechtzeitig springe ich, drei mal so schnell wie ich herangelaufen bin, von ihnen Weg und bleibe erstmal auf Distanz. Joshi lacht zu recht, nachdem auch er sich von dem kurzen Schreck erholt hat. Wir laufen weiter den Fluss entlang, wo weitere Seelöwen, weibchen wie männchen, verschiedener Größen, faul im eigenen Dreck, auf Holzplattformen, auf die Reste des Fischmarktes lauern. Die Tiere wirken fett und ungesund, sodass sie uns aufrichtig Leid tun, auch wenn mich der Eine fast verspeist hätte. Nach der Seelöwen-Show laufen wir weiter ohne Orientierung oder Stadtplan den Fluss entlang. Während wir so durch die Gassen gehen, entfacht eine mit der Zeit immer komplexer und unübersichtlicher werdende Diskussion über moralische Ansichten, wo ich ehrlich gesagt heute gar nicht mehr genau weiß über was es eigentlich ging. Jedenfalls verlieren wir vor lauter Philosophie schon bald vollkommen die Orientierung und das Zeitgefühl. Plötzlich wird es dunkel als wir gerade irgendwo nahe einem Neubaugebiet, aus einem Supermarkt treten und zum dritten Mal einen Chilenen nach dem Weg fragen, was sich als schwer erweist, da wir die Adresse unseres Hostels nicht kennen. Noch sind wir guter Dinge bald den richtigen Weg zu finden, doch nach einer weiteren Halben Stunde ist es stockfinster und wir bereuen es stark, ohne Stadtplan und Adresse losgezogen zu sein. Nebeneinander laufen wir, mittlerweile wieder auf der Costanera, durch die nur von Laternen beleuchtete Straße, darüber nachdenkend, in welcher Gegend unser Hostel liegt und wie wir am besten nach dem Weg fragen. Ich merke wie Joshi nervös wird und schaffe es, mich selber nur noch damit zu beruhigen, indem ich mir sage, dass ich mich nicht das erste Mal auf dieser Reise, auf Irrwegen befinde. Es ist neun Uhr, als ich glaube einige Gebäude wiedererkannt zu haben.
" Da waren wir schon Mal , da bin ich mir sicher. Wir sind richtig. " behaupte ich, doch als wir näher kommen bin ich mir nicht mehr sicher. Ein paar Mal glauben wir die Straße zu kennen, bevor wir doch wieder Ahnungslos weitermarschiern und ich langsam ebenfalls nervös werde, denn nicht jedes Viertel ist Nachts in einer Großstadt sicher. Wir laufen weiter durch die Nacht. Kurze Zeit später entdecken wir Blaulicht, unsere Befürchtungen in eine etwas "speziellere" Gegend gelangt zu sein bewahrheiten sich jedoch nicht, stattdessen entdecken wir eine grün-weise Polizeistation, wo Joshi eine gute Idee hat.
"Lass uns die Polizisten fragen, auch wenn es in Chiloe nicht geklappt hat, hier haben Sie vielleicht eine Stadtkarte! " erklärt er mir.
Zuerst bin ich skeptisch, traue ich mich doch nicht so recht, einfach in die Polizeistation zu marschieren, gebe der Idee dann allerdings doch recht, denn sie ist im Grunde genial. In gebrochenem Spanisch, nervös, mitten in der Nacht, ohne Adresse, ohne Hostelname, hoffnungslos verlaufen, fragen wir den Polizisten:
"Eine Map äh. ..City Map?" fragen wir, ehe er eine Gegenfrage stellt.
"Wohin wollt ihr denn?" fragt er.
"Zum Hostel" antworten wir, wieder eine Gegenfrage
" Und die Adresse vom Hostel? ".
"No se. Keine Ahnung" stottern wir, als er weiter frägt
"Vielleicht wisst ihr den Name des Hostels? ".
"Äh Nein auch nicht. " gestehen wir und es wird echt peinlich.
Letzten Endes zeigt er uns eine grobe Stadtkarte, in der wir ungefähr die Kreuzung ausmachen können an welcher wir gestartet sind.
"Zurück auf die Costanera dann nach zwei Blocks rechts rein, dann sind wir in der Straße Puerto Montt." lassen wir uns von dem leicht irritieren jungen Polizisten bestätigen.
Mit neuer Hoffnung laufen wir in die falsche Richtung weiter! Die breite Straße teilt sich vor uns in zwei kleinere. Die Breitere führt nach links, die schmale, unheimlich wirkende Gasse nach rechts.
"Er hat gesagt nach rechts. "
Wir folgen der menschenleeren stillen Gasse um die Ecke, bis wir über einen verschmutzten Gehweg einer Brücke laufen unter bzw. rechts von ihr klapprige, kleine , verrostete Schuppen aneinandergereiht auftauchen. Das Armen-Viertel der Stadt. Vorhin noch wanderten wir durch das Neubaugebiet mit hübschen, geräumigen, gepflegten Holzhäusern und grünen Parks, bevor wir jetzt die ärmere Bevölkerung beobachten , wie sie über einem, mit Kohle gefülltem Einkaufswagen grillen und unter dem verrosteten Vordach die gesamte Familie Dosenbier trinkt. Geschockt und angeekelt laufen wir schnell wieder zurück. Das Leben ist unfair und ich habe Mitleid mit der ärmeren Schicht, muss aber feststellen, das von dem Grillfest im Armenviertel genauso lautes Lachen zu uns drang, wie der freundliche, uns den wegweisende Mann, im Neubaugebiet, scherzte. Wir kommen heil an der Polizeistation an, fragen nochmal nach, da wir immer noch nicht das Hostel gefunden haben und wandern in die andere Richtung weiter. Diesmal finden wir den Weg , zugegebenermaßen mithilfe dreier, leicht berauscht wirkenden Studenten, bis in unsere Straße, wo wir um halb elf in unserem Hostel ankommen und müde, in unsere Betten fallen. Am nächsten Morgen brechen wir gegen elf Uhr auf. Ich möchte die spanischen Festungsanlagen auf Niebla, eine Insel im Umland Valdivias, besuchen. Joshi dagegen nicht. Trotzdem gehen wir zu zweit los, nehmen den ersten Bus, der für Joshi schon unnötig teuer ist, was er nicht war, und kommen nach ungefähr einer Stunde später in Niebla an, wo wir bei blauem Himmel und Sonnenschein auf die Fähre überwechseln. Schade nur, dass zwischen uns zum ersten Mal während der gemeinsamen Reise, dieser blauer Himmel, Regenwolken weicht. Joshi macht seinem "kein Bock" auf ein paar verrostete Kanonen kund, bis ich schlecht gelaunt bin und das ebenfalls kund tue. So marschieren wir die Festungen, welche wirklich nur ein paar verrostete Kanonen sind, entlang. Ich schlecht gelaunt vorauslaufend, mit dem Versuch beschäftigt die Festungen doch noch zu genießen, welche zugegeben tatsächlich wenig spektakulär sind und Jos hi gespielt fröhlich und beeindruckend von der "tollen Festung" . Im Nachhinein, war das Wetter im Prinzip genial und alleine die Fährfahrt, vorbei an den grünen Inseln, unter dem blauen Himmel und über dem sonnenbeleuchtetem Wasser , den Ausflug wert und tatsächlich sorgt das Wetter dafür, dass wir uns kurz unsere Meinung geigen, bevor wir allmählich wieder bessere Laune bekommen. Die Fahrt zurück genießen wir nun wieder , sodass wir beschließen uns noch auf die Steintreppen, über dem Meer, in die Sonne zu legen und den Fischern zu zuschauen, ehe wir mit dem Bus zurück in die Stadt fahren.
An einer hübschen Ansammlung von Cafés steigen wir aus und gönnen uns, nun prächtig gelaunt, zum Ostersonntag ein geniales Stück Himbeerkäsetorte , sowie eine Auswahl an Gaietas zu Te con Leche, welcher in Chile einzigartig gut schmeckt. Satt von dem guten Kuchen kehren wir in unser kleines Zimmer zurück.
Nach einer Nacht ohne abenteuerliche Stadtbesichtigung bricht schon der letzte Tag unseres Valdivia Aufenthaltes an. Statt Christmette und Ostereiersuche geht es in die größte, Brauerei Chiles. Die deutschstämmige "Cervezeria" Kunstmann, erreichen wir am frühen Mittag, wo uns ein Holzpärchen in nachgeahmter bayrischer Tracht, neben einem gelben, originalen VW Bus, begrüßt. Wir setzen uns an die Bar, bestellen eine Probe von jeder Sorte, während "Heidi, deine Welt sind die Berge" aus den Lautsprechern schallt. Wie echte Kenner beurteilen wir jede Sorte mit einer Menge Spaß, die gegen Ende, nach 10 Kostproben nicht gerade weniger ist. Wir bestaunen die vielen deutschen Gegenstände, wie zum Beispiel eine Sammlung deutscher Bierflaschen, die für uns herkömmlich ist, sowie die Grundzutaten von gutem Bier. Der Werbespruch von dem bekanntesten chilenischen Bier ist übrigens Wort wörtlich "Kunstmann das gute Bier" , was neben all den spanischen Werbebannern sehr lustig wirkt und zeigt deutsches Bier wird auf der ganzen Welt angepriesen. Noch während wir über die verschiedenen Sorten Bier diskutieren, klopfen plötzlich zwei ältere Männer auf Joshis Schulter und neben dem "Heidi, Heidi" mischen sich weitere deutsche Wörter.
"Servus was machst du hier!?" begrüßt ein älterer gut betuchter Mann, Joshi, in einem mir noch nicht erschlossenen Dialekt.
Schnell kommen wir mit den beiden deutschen, die im gleichen Flieger wie Joshi saßen, ins Gespräch. Die beiden kommen aus dem Oberallgäu nahe der österreichischen Grenze, nahe am Tannheimer Tal und dem Oberjoch-Pass, welchen ich Ende Dezember noch mit Niklas in einer Schneesturmnacht bezwungen habe. Nachdem zufälligen Wiedersehen ziehen die netten Männer weiter und wir folgen ihnen kurz darauf.
Da es Ostermontag ist und wir Hunger haben, lassen wir uns von einem freundlichen Kellner zu einem 7000 Pesos teuren Menü überreden, welches jedoch vorzüglich ist. Zwei verschiedene frische Fischsorten mit Kartoffelbrei und Reis! Allein schon mal wieder Kartoffelbrei essen zu dürfen, ist den Preis wert! Jedenfalls folgt ein Gruß aus der Küche, einer Kurbiscremesuppe und dem Fisch, süß eingelegte Blaubeeren. Joshi und ich sind hochzufrieden und satt. Gut gelaunt schlendern wir in einen kleinen Park, der uns an die gegenüberliegende Seite des Mercado Fluvial führt und uns einen herrlichen Blick auf den sonnenbeschienen Fluss und den Markt, mit der Stadt im Hintergrund bietet. Zum Abschluss wollen wir uns noch einmal in das gute Café von gestern setzen, treffen stattdessen jedoch, die beiden Deutschen in einem Biergarten, wo sie uns heranwinken und auf ein Bier einladen. Es sollte wahrlich nicht bei einem Halben bleiben. Gerhard und Herbert der eine 75, der andere fast 70, bereisten genauso wie ich, die Caretera Austral. Auch wenn sie nicht bis ganz ans Ende gekommen sind und statt Bus, mit dem eigenen Wagen unterwegs waren, ein Roadtrip mit über siebzig, auf dieser Schotterstrase, in einem anderen Kontinent - Respekt! Die beiden welche im Leben schon all das erreicht haben, was wir noch vor uns haben, spendieren uns jeweils drei Halbe, wofür Joshi ihnen die Sim Karte des Handys entsperrt. Drei Generationen auseinander und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, unterhalten wir uns richtig gut. Wir tauschen Ansichten, Erfahrungen und Geschichten aus, während es mit jedem Glas Bier , Gerhard hatte schon etwas Vorsprung, lustiger zu geht. Letzten Endes fahren uns die beiden Oberallgäuer zum Busterminal, wo sie uns noch ein Fleier von Gerhards Hotel-Restaurant mitgeben und wir versprechen beim nächsten Besuch, an der österreichischen Grenze, ihnen ein Besuch abzustatten. Den Rausch ausschlafend fahren wir durch die Nacht weiter nach Pucon.
5 Monate durch Chile reisen. Gletscher, Königspinguine, Wüste, Geysire, Vulkane, indigene Kulturen und vieles mehr, hält das längste Land der Welt geheim. Von Feuerland über Patagonien zur Atacama-Wüste bis hoch ins Andenaltiplano, 4.300km und über 39 Breitengrade von Süd nach Nord. Ein Land das fasziniert und noch viel unentdecktes bereithält. Seid Ihr mutig genug es zu erkunden? Die Geheimnisse von Bolivien und Peru gibt es hier: Der Link: travelandexploreboliviaperu.blogspot.com
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