Donnerstag, 16. April 2015

Canyoning am Lago Llanquihue

Schwerelos schwimme ich auf dem Wasser, drehe mich ein paar Mal, verliere die Orientierung,  bevor ich plötzlich Leere unter mir spüre und falle. Blind schlage ich auf das Wasser auf und sofort umgibt mich das kalte Nass, dringt in mein Anzug und den Helm, bis ich prustend wieder auftauche. Adrenalin strömt in mein Blut und stolz brülle ich Unverständliches, während ich mir auf die Brust klopfe. Als nächstes fliegt Joshi, rückwärts mit geschlossenen Augen, die 4 Meter Kante hinab und taucht schräg in das azurblaue Becken ein, bevor er strahlend wieder auftaucht.
"Das ist so genial!"
  "Mega ,Mann!" stimme ich ihm zu, als wir uns abklatschen.

Nach einer halb stündigen Fahrt in den Nationalpark Llanquihue, zogen wir unsere Neoprenanzüge an, wurden unterwiesen,  bis wir uns selbst, in die Wasser gefüllten Schluchten, stürzen. Mit denen Beinen voraus,  über den glatten Fels, vom Fluss getrieben,  rutschen wir in das erste Becken hinab, wo uns eine erste Mutprobe abverlangt wird. Das nächste, grünlich schimmernde Becken liegt geschätzt 5 Meter unter uns, und obwohl es noch um einiges Höher geht und der Guide versichert, das Wasser sei tief genug, kostet es mich einen kurzen Ruck, bevor ich einen Moment lang falle, ehe mich die Schwerkraft ins tiefe Blau zieht, wo ich brustend wieder auftauche.  Das Felsenspringen macht unglaublich viel Spaß, sodass sich Joshi sogar einen Vorwärtssalto in den nächsten, kleinen See traut. Nachdem wir beide den anfangs beschriebenen blinden Sturz überleben,  klettern wir auf eine kleine Felskante, von wo wir hinab springen sollen. Schon auf dem Weg zur Klippe verringert sich die Gruppe um ein paar Mitglieder, was hoffentlich nach unserem Sprung nicht nochmal der Fall ist. Nacheinander erklimmen wir den Rand des steilen Felsens. Joshi vor mir, kommt als erstes am Guide an, der ihn ernst auf die Art des Sprunges hinweist.
"9 Meter! Weit abspringen,  damit du ungefähr mittig landest,  das Becken ist nicht tief."
Hoffentlich tief genug, denke ich mir, als ich Joshi fliegen sehe. Die Arme am Körper und mit strengem Gesichtsausdruck saust er auf das Wasser zu, dass ihn mit einem lauten Platsch willkommen heißt. Kurz warte ich gespannt,  doch dann taucht Joshi mit den Armen kraulend,  lachend und stolz an der Wasseroberfläche auf. Sehr gut , denke ich und versuche zurück zu lachen,  was mir, mit Blick auf meinen eigenen Sprung nicht ganz gelingt. Die gleiche Unterweisung. Weit und Mittig.
"Das Becken ist nicht tief , also Arme an den Körper! " schallt es nach, als ich an den Abgrund trete. Ich schaue hinab und denke mir:  "Weit und mittig,  das hat auch damals in Österreich funktioniert",  bevor ich meine Augen schließe und springe. Mit den Armen fuchtelnd, erinnere ich mich zu spät an den Rat "Arme am Körper", da rauscht schon das Wasser auf mich zu. Mein Helm füllt sich mit Wasser und zieht mich nach oben, während die Kraft des freien Falls meine Füße gegen den Grund des Beckens drückt, wo ich mich abstoße und strampelnd, ebenfalls die Wasseroberfläche erreiche. Erleichtert und voller Adrenalin steige ich aus dem Teich und stimme in das "Verdammt ist das Verrückt" der Anderen ein. Es folgen weitere Rutschpartien Kopf vorwärts und Bein vorwärts,  bis wir nacheinander in einen kleinen Strudel hineinrutschen, wo wir uns wie in einem Trichter immer schneller im Kreis drehen - ein Heiden Spaß. Nach ungefähr einer Stunde endet der Fluss plötzlich an einer Felskante,  die ins nichts zu führen scheint. Aus Scherz frage ich unseren französischen Guide:
"Da müssen war als nächstes runter? "
"Ja. Kopfüber " lacht  er, aber da runter müssen wir wirklich!

 Über 30 Meter hoch ist der Wasserfall an dem wir uns abseilen sollen. Der Guide unterweist uns eindringlich, mit strengem Blick,  wie wir unsere Krabinerhaken befestigen und unsere Füße und Knie auf den steilen Fels setzen sollen. Joshi ist diesmal wieder vor mir an der Reihe,  sodass ich nur noch sehe, wie er von der Kante plötzlich verschwindet,  und langsam werde auch ich nervös. Als Vorletzter stehe ich in der Reihe,  die sich dem Abhang viel zu schnell nähert. Wenigstens kommt die Sonne heraus, sodass mein letzter Akt von Sonnenstrahlen begleitet wird. Der Nächste unserer Gruppe verschwindet vor mir im Nirgendwo, bevor ich an der Reihe bin. Nervös nicke ich den Anweisungen des erfahrenen Guides zu, um es dann doch falsch zu machen. Die Karabiner  sind befestigt und ich beginne vorsichtig Seil freizugeben. Meine Beine suchen am glatten Felsen halt, finden jedoch nur selten welchen, weshalb ich laut Anweisung, viel zu spät, auf Knien weiter rutsche, bis auch diese im Leeren baumeln. 25 Meter in der Luft hängend, neben einem tosenden Wasserfall,  von der Sonne beschienen,  lasse ich mich immer mutiger und dementsprechend schneller hinabfallen. Gerade als es anfängt richtig Spaß zu machen, komme ich auf einer Plattform neben dem Wasserfall an und ich frage mich, wie ich jetzt weiter hinunter, in den kleinen See am Ende des Wasserfalls komme.

 "Jump" sagt der jüngere Guide nur fröhlich.
 "Wo?" frage ich.
 "Durch den Wasserfall,  oder wenn du dich traust dann zeige ich dir nachher den 14 Meter Sprung, aber der ist nicht ungefährlich. " lässt er mir die Wahl.

14 Meter ,das wäre schon ein Erlebnis,  denke ich mir , entscheide mich dann aber, für einen weiteren 9 Meter Sprung, durch den Wasserfall. Ich fliege durch die kräftige Dusche hindurch,  bis mich die tosenden Wassermassen verschlucken,  ehe sie mich wieder freigeben und ich ans Ufer , zum strahlenden Joshi schwimme,  der sich ebenfalls gegen die 14 Meter entschieden hat. Während wir vom trockenen Ufer aus, ausgepowert und leicht am frieren, den beiden  Wagemutigen, aus unserer 10 köpfigen Gruppe, beim 14 Meter Sprung beobachten,  bereuen wir es fast, diesen nicht auch gewagt zu haben. Trotzdem fahren wir zufrieden in dem müden Van zurück nach Puerto Varas,  wo wir uns auf dem Ostermarkt noch ein paar Pralinen zum Nachtisch kaufen, bevor Joshi seine Kochkünste auspackt und Bratkartoffeln mit Zwiebeln zum Abendessen serviert.
 Seine Kochkünste reichen fast an das gestrige Restaurant heran, in welchem wir, sogenannte Parillada bestellten und einen großen, runden und heißen Tontopf serviert bekamen,  welcher alle möglichen gegrillten Fleischspezialitäten Chiles beinhaltete. Sehr leckere Blutwurst, Asado ( Schaf), Schwein, Rind und Pute angerichtet mit Salzkartoffeln und Salat. So gut habe ich auf der ganzen bisherigen Reise nicht gegessen!
 Da die Portion im Grunde auch für 4 Personen gereicht hätte, joggen wir am letzten Tag in Puerto Varas noch einige Kilometer entlang der Seepromenade, welche von dem schneebedeckten Vulkan Llanquihue, spektakulär eingerahmt wird.

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